Horst Wiedemann aus Haar. © Kästle
Unglaublich, aber wahr: Horst Wiedemann saß für die SPD ein halbes Jahrhundert lang im Gemeinderat in Haar. Inzwischen ist er 91 und will sein Amt abgeben. Aber an seine Anfänge in der Kommunalpolitik erinnert er sich noch gut.
2000 Sitzungen dürften es gewesen sein, schätzt Horst Wiedemann. Da hat er die Ausschüsse noch gar nicht mitgerechnet. Unzählige Stunden saß er für die SPD im Sitzungssaal in Haar im Kreis München, hat mitdiskutiert. Manchmal kämpfte er für ein Thema, er ließ sich aber auch mal überzeugen von anderen Meinungen. 50 Jahre gehörte Horst Wiedemann dem Gemeinde- und seit der Erhebung Haars zur Stadt dem Stadtrat an. Ende September will er aufhören. Mit 91 wird ihm das Amt zu anstrengend.
An die Anfänge erinnert er sich gut: „Engagier dich gefälligst“, forderte er sich damals selbst auf, als ihn Mitte der 1960er-Jahre der damalige Bürgermeister Willy Träutlein (SPD) fragte, ob er sich nicht aufstellen lassen wolle. Wiedemann war Lehrer am Gymnasium, eins seiner Fächer war Sozialkunde. Er war mit seinen Eltern nach dem Krieg aus dem Sudetenland geflohen und wusste nur zu gut, dass es die Demokratie nicht umsonst gibt. 1972 wurde er erstmals gewählt – damals unter für ihn traumhaften Bedingungen. Die SPD hatte im Plenum die Mehrheit. Seither hat er nur einmal drei Jahre lang ausgesetzt. Er hat die Kommunalpolitik in Haar mitgestaltet. Als Wiedemann damals im Gymnasium anfing, war Haar ein Dorf mit 6000 Einwohnern. Heute leben dort 25 000 Menschen, es gibt ein Gymnasium, eine Volkshochschule, eine Musikschule. Realschule, FOS und BOS sind in Planung. „Die Jugend hat heute ganz andere Vorstellungen als wir Alten“, sagt der dreifache Vater, fünffache Opa und zweifach Uropa. Alle müssten einander besser zuhören, das ist seine Überzeugung. Sein Leitspruch in der Politik lautet: „Wenn schon göttliche Eingebung fehlt, sollte man doch wenigstens menschliche Vernunft walten lassen.“A. KÄSTLE