Ausgebremst: die Kiss-Züge der Westbahn können 200 km/h erreichen – wenn nicht eine Baustelle dazwischenfunkt. © Balk/dpa
München/Wien – Die Bahn baut und sperrt – und bei den Bahnunternehmen wächst der Groll: Thomas Posch, Chef der österreichischen Westbahn, ist über die jüngsten Baustellen, vor allem aber über die interne Kommunikation, regelrecht entsetzt. „Es wird kaum noch eine Baustelle vorab rechtzeitig angekündigt, geschweige denn abgestimmt“, kritisiert er den Netzbetreiber DB InfraGo im Gespräch mit unserer Zeitung. Nötig seien „fristgerechte und abgestimmte Mitteilungen“, Planungssicherheit und klare Zuständigkeiten bei der DB InfraGo, bei der oft eine Betriebszentrale nicht wisse, was die andere plane.
Die Westbahn ist ein Newcomer, in Österreich aber schon etabliert, weil sie der mächtigen Staatsbahn ÖBB Kunden abjagte. Seit 2022 fährt sie auf der Strecke Wien–Salzburg–München, Ende 2024 wurde das Angebot bis Stuttgart verlängert. Zuletzt musste sie Anfang August aber neun Tage lang auf dem Weg nach München einen Umweg über Passau einschlagen, weil zwischen Salzburg und Rosenheim kein Zugverkehr möglich war. Während diese Baustelle rechtzeitig bekannt gegeben worden war, war das bei einer weiteren Streckensperrung zwischen Augsburg und Günzburg am 9./10. August anders. Diese wurde, so schildert es Posch, erst kurzfristig bekannt gegeben. Die Westbahn musste eine Umleitung über Donauwörth einschlagen, wurde aber an einem Freitagabend (8. August) kalt erwischt von der Nachricht, dass auch diese Umleiterstrecke wegen Bauarbeiten unpassierbar war. Genau gesagt war für die speziellen Doppelstockzüge der Westbahn in Dillingen nur eines von drei Gleisen zugelassen, genau dieses aber war gesperrt. Also musste die Westbahn noch weiträumiger ausweichen, Fahrgäste erreichten über Bad Cannstatt ihr Reiseziel Stuttgart. Und das alles musste am Freitagabend organisiert werden. „Das ist doch eine Bankrotterklärung“, ärgert sich Posch.
Die von Philipp Nagl – der in Branchenkreisen noch als einer der fähigen Bahnmanager gilt – geleitete DB InfraGo steht dabei im Zentrum der Westbahn-Kritik. Den Betriebszentralen von München und Karlsruhe wirft Posch mangelnde Absprachen vor. Er hat dazu auch ein Drei-Punkte-Positionspapier verfasst, das unserer Zeitung vorliegt. Darin heißt es: „Bei plötzlich auftretenden Ereignissen auf der Schiene kommt es häufig zu Situationen, in denen unklare Zuständigkeiten weitere Handlungen beschränken und sofortige Lösungsansätze verhindern.“ Baustellen müssten länger im Voraus angekündigt werden, ein Monat sei zu kurz. „Das Buchungsverhalten unserer Kunden ist längerfristig, sie buchen im Schnitt sechs bis acht Wochen vorher ihre Reise.“ Da sei es ungünstig, ihnen hinterher zu sagen, dass diese ausfalle.
Eigentlich müsse auch die DB-Tochter Fernverkehr den Ärger der Westbahn teilen. Doch da sei nichts zu hören. Posch kennt das schon: „Man tut sich da nicht weh“ – eine DB-Abteilung kritisiere nie die andere, zumindest öffentlich nicht. Der Kommentar von Posch: „Wir merken, dass bei der DB im Fernverkehr die Kunden egal sind.“
Und das nächste Ungemach kündigt sich schon an: Zwischen dem 11. und 19. September gibt es eine Baustelle auf dem Münchner Südring. Der Westbahn wurde signalisiert, dass sie nicht in den Hauptbahnhof einfahren kann. Stattdessen sollen die Züge auf dem Weg nach Stuttgart vom Ostbahnhof direkt bis Pasing weiterfahren. Posch ärgert sich: Die Baustelle hätte man auch zusammen mit der nahe Rosenheim Anfang August erledigen können. Auch die Ankündigung der Bahn, vom 13. Januar bis 6. Februar 2026 den Ulmer Hauptbahnhof wegen der Inbetriebnahme eines Stellwerks für über drei Wochen komplett abzuhängen, stößt auf sein Unverständnis. „In Österreich macht man das in Sperrpausen in der Nacht.“ Die Westbahnzüge müssen also wieder einmal umgeleitet werden.
Eine Großsperrung indes hofft Posch noch abwenden zu können: Gegen die Art und Weise, wie die DB InfraGo die Korridorsanierung Rosenheim–Salzburg (5. Februar bis 9. Juli 2027) und München–Rosenheim (4. Februar bis 7. Juli 2028) durchführen will, formiert sich auch in der bayerischen Politik Widerstand. Zumindest ein Gleis müsse befahrbar bleiben. „Wenn es nur irgendwie möglich ist, muss man diese Vollsperrung vermeiden“, sagt Posch.DIRK WALTER