Im Stimmkreis: Bocklet mit seiner Ehefrau bei einem CSU-Neujahrsempfang in der Furthmühle © Johannes Simon/pa
Knietief im Getreidefeld: Bocklet als Landwirtschaftsminister 1997 mit Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. © Kiefer/dpa
Sein Husarenstück: Reinhold Bocklet 2018 in der Bayerischen Vertretung in Brüssel. © Sven Hoppe/dpa
München – Die größte Gefahr für die Karriere eines CSU-Politikers ist nicht etwa der Wähler – sondern der Regionalproporz. Diese christsoziale Polit-Eigenheit, alle Bezirke unter einen Hut zu bringen, hat schon manche Laufbahn ins Wanken gebracht. So auch bei Reinhold Bocklet. Sein Schicksalsjahr war Anno 2003, als der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber seinen einstigen Chef-Diplomaten überraschend nicht mehr ins bayerische Kabinett berief. Und Bocklet? Wurde seinem Spitznamen „Kugelblitz“ gerecht. Kugelblitz deshalb, weil er, leicht rundlich und blitzschnell, unverhofft überall einschlagen konnte. Und natürlich funkte es auch 2003 sofort. Er revanchierte sich für die Ausbootung mit öffentlicher Kritik an Stoiber. Die Entscheidung sei „politisch fragwürdig und persönlich ärgerlich“. Rumms.
So war Reinhold Bocklet. „Ein Diplomat wie Blitz und Donner“, wie unsere Zeitung einst über ihn schrieb. Extrem gut vernetzt, von Brüssel bis Oberschweinbach. Erst 14 Jahre lang Europapolitiker aus Leidenschaft, wechselte er 1993 in den Bayerischen Landtag, war Agrarminister, dann Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Und nach seiner Ausbootung 2003 machte er eben in zweiter Reihe weiter Politik, S-Bahn statt Dienstlimousine – für seinen Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost und in diversen Landtagsausschüssen. Bis zu seinem Rückzug 2018 war er zudem zehn Jahre lang Vize-Präsident des Landtags. Nun ist Reinhold Bocklet im Alter von 82 Jahren in München gestorben, wie der Landtag am Wochenende mitteilte.
„Reinhold Bocklet war ein leidenschaftlicher Parlamentarier und überzeugter Demokrat“, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Der CSU-Politiker habe in mehreren herausgehobenen Positionen die Politik im Freistaat maßgeblich mitgestaltet. „Von seiner reichen Erfahrung und seiner singulären europapolitischen Kompetenz konnte der Landtag immer wieder in besonderer Weise profitieren.“ Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte über Bocklet: „In Erinnerung bleibt er durch seinen unermüdlichen Einsatz, seine Hartnäckigkeit und auch Umtriebigkeit. Wenn sich Reinhold Bocklet etwas vorgenommen hatte, setzte er sich so lange dafür ein, bis er sein Ziel erreicht hatte.“
So wie bei seinem größten Coup in Brüssel. Gegen Widerstände innerhalb und außerhalb seiner Partei baute er dort die bayerische Landesvertretung im ehemaligen Institut Pasteur auf. Und das sehr repräsentativ, in einem kleinen Schlösschen unmittelbar am EU-Parlament. Seine Maxime, wie er unserer Zeitung einst erklärte: „Den Einfluss, den wir haben, dürfen wir andere möglichst wenig spüren lassen. Mit Kraftmeierei ist nichts gewonnen.“
Auch in seinem Stimmkreis hinterließ er Spuren. Er verhinderte die von der Staatsregierung gewünschte Umwandlung des ehemaligen Fürstenfeldbrucker Fliegerhorstes in einen Zivilflugplatz. Um den Flugverkehr in seiner Heimatregion zu vermeiden, lotste er stattdessen ein BMW-Fahrsicherheitszentrum an den Fliegerhorst. Zudem brachte er das Grüne Zentrum nach Puch – und bündelte dort die Agrar- und Forstverwaltung sowie die Ausbildung in den landwirtschaftlichen Berufen. „Mir ging es dabei auch darum, die Eigenständigkeit für den ländlichen Raum zu erhalten“, sagte Bocklet später über dieses Projekt. Zudem setzte er sich für den Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke in München ein. In seiner langen Laufbahn kam er ohne größere Skandale aus, auch wenn ihm mancher Weggefährte einen Hang zur Eitelkeit bescheinigte.
Für sein vielfältiges Engagement wurde er unter anderem mit der Verfassungsmedaille in Gold und dem Bayerischen Verdienstorden geehrt. Daneben war er Ritter der Ehrenlegion der Französischen Republik und Mitglied des Petersburger Dialogs, eines Gesprächsforums der deutschen und russischen Zivilgesellschaft.
Der Abschied aus der Politik fiel ihm, der schon mit 36 Jahren im EU-Parlament saß, schwer. Als ihn sein Kreisverband 2018 verabschiedete, erhielt er stehenden Applaus. Die Junge Union bescheinigte ihm: „Für unsere Heimat hat er gekämpft wie ein Stier.“ Seiner Partei hinterließ er den eindringlichen Appell, die Demokratie an der Basis zu bewahren. Trotz aller Erfolge dürfe nie der Ehrgeiz vergessen werden. So, wie er es immer vorgelebt hatte. Egal, ob mit oder ohne Blitzeinschlag.DG/ST/DPA