Hilfeschrei der Hebammen

von Redaktion

Eine Hebamme versorgt in einer Klinik ein neugeborenes Baby. © kna

München – Die Hebammen-Situation in Bayern könnte sich schon bald dramatisch zuspitzen. Grund dafür ist ein Schiedsspruch zum Hebammenhilfevertrag. In dem neuen Vertrag werden Beleghebammen finanziell schlechter gestellt als angestellte Hebammen. Die Hebammenverbände in Deutschland haben das scharf kritisiert – sie befürchten, das künftig viele Beleghebammen aufgeben werden, weil sich ihre Arbeit nicht mehr rechnet. Das wird die Bundesländer unterschiedlich hart treffen – Bayern aber am stärksten. Denn im Freistaat werden bis zu 80 Prozent der klinischen Geburten und der Notfallversorgung durch Beleghebammen betreut. Gerade viele Kliniken in ländlichen Regionen haben auf Beleghebammenteams umgestellt, um auf die schwankende Auslastung in den Geburtsstationen besser reagieren zu können.

Beleghebammen sind freiberuflich tätig. Sie organisieren sich selbst im Team und garantieren eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung im Kreißsaal. Sie rechnen ihre Leistungen über den Hebammenhilfevertrag direkt mit den Krankenkassen ab und erhalten darüber hinaus keine Vergütung vom Krankenhaus. Wenn der neue Vertrag wie geplant am 1. November in Kraft tritt, würden Beleghebammen etwa 30 Prozent ihres Einkommens verlieren. Außerdem sollen ambulante Leistungen der Akut- und Notfallversorgung für Schwangere künftig nicht mehr vergütet werden. Für viele Hebammen sei das existenzbedrohend, sagt Mechthild Hofner, die Vorsitzende des Landeshebammenverbandes. Wenn Hebammen aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben müssen, würde das für viele Schwangere mittelfristig bedeuten, dass sie weitere Wege in den Kreißsaal auf sich nehmen müssten – denn die Geburtshilfe könnte dann nicht mehr an allen bisherigen Standorten angeboten werden. Seit 2005 seien allein in Bayern bereits 46 Kliniken geschlossen worden, betont Hofner. „Vor allem im ländlichen Raum.“

Hofner versucht seit Wochen, Bayerns Politiker an die Seite der Beleghebammen zu bekommen. Die Karlsfelderin hat mit Vertretern der Regierungsfraktionen gesprochen, danach wurde im Landtag einstimmig ein Dringlichkeitsantrag verabschiedet und ein runder Tisch zum Hebammenhilfevertrag initiiert. So will Bayern Druck auf Bundesebene aufbauen und die Vertragspartner dazu bewegen nachzubessern. Aufgelöst werden kann der Schiedsspruch zum neuen Hebammenhilfevertrag nicht, erklärt Hofner. „Aber es könnte nachjustiert werden, wenn der Vertrag die Hebammenversorgung gefährdet.“

Für den Rückenwind aus der bayerischen Politik ist Hofner dankbar. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek betonte, es sei nicht hinnehmbar, dass Beleghebammen durch den Schiedsspruch finanziell unter Druck geraten. „Wir brauchen dringend ein starkes Signal der Wertschätzung.“ Am besten sei es, die Vergütung zwischen den Berufsverbänden und den Kassen neu auszuhandeln.

Die Vergütung der Beleghebammen sei seit sieben Jahren nicht erhöht worden, betonte die Abgeordnete Carolina Trautner (CSU) im Gesundheitsausschuss. „Die Schiedsstelle sollte ihren nicht nachvollziehbaren Schiedsspruch schnellstmöglich übermitteln, damit die Verhandlungsparteien den Rechtsweg bestreiten oder neu verhandeln können.“

Auch der Bayerische Landkreistag stellt sich an die Seite der Hebammen. Durch den Schiedsspruch würde nicht nur die Schließung weiterer Geburtsstationen drohen, es gäbe auch weniger Ausbildungskapazitäten für Hebammen in Bayern, schreibt Thomas Eichinger, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Landkreistags in einem Brief an Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Mit dem Schreiben bittet der Verband darum, dass eine eigens gegründete Arbeitsgruppe die Auswirkungen des neuen Vertrags analysiert und nach Lösungsmöglichkeiten sucht.

Der Deutsche Hebammenverband hat bereits eine Umfrage durchgeführt, an der sich 70 Prozent der 154 Belegteams im Land beteiligt haben. 100 Prozent rechnen durch den neuen Hebammenhilfevertrag mit Einkommenseinbußen. 49,5 Prozent planen innerhalb der nächsten sechs Monate aus der Geburtshilfe auszusteigen, weil sie sich die Arbeit nicht länger leisten können.

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