Die Bundeswehr braucht Personal: Ein neues Wehrdienstmodell soll nun mehr junge Menschen zur Truppe locken. © Schulze/epd
Berlin – Jetzt soll er kommen, der neue Wehrdienst: Das Bundeskabinett hat ein Gesetzespaket zur Stärkung der Bundeswehr gebilligt und setzt dabei auf verpflichtende Wehrerfassung und Musterung junger Männer, aber Freiwilligkeit im Dienst.
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht schon in Friedenszeiten, wie sie vor allem Unionspolitiker wiederholt gefordert hatten, wurde nicht vereinbart. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) formuliert aber Grundvoraussetzungen für eine Aktivierung. Wenn die verteidigungspolitische Lage oder ein Mangel an Freiwilligen eine Wehrpflicht erforderlich macht, muss der Bundestag erst zustimmen. Auch über das jetzt im Kabinett beschlossene Gesetz entscheidet der Bundestag.
Die Bundeswehr benötigt etwa 80 000 zusätzliche, aktive Soldaten. Denn die Nato hält für Deutschland eine Größenordnung von 260 000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe für erforderlich, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte nach der Kabinettssitzung, er sei zuversichtlich, dass die Zahl nötiger Freiwilliger erreicht werden könne.
Dabei soll der Wehrdienst vor allem die Grundlage für eine größere Reserve schaffen. Geplant ist, mit 15 000 neuen Wehrdienstleistenden zu beginnen und eine verpflichtende Musterung ab 2027 einzuführen. Zur Wehrerfassung müssen junge Männer in einem Fragebogen Auskunft geben, ob sie zum Wehrdienst bereit und fähig seien, Frauen können dies tun.
Der Pool, an den sich der neue Wehrdienst richtet, ist die Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen. Pistorius verfolgt zudem mehrere Ansätze, um den Dienst attraktiver zu machen. Darunter ist auch ein höherer Sold. Dazu sollen Wehrdienstleistende künftig als Zeitsoldaten bezahlt werden und somit rund 2300 Euro netto monatlich erhalten. Die FDP forderte als zusätzlichen Anreiz, dass die Führerscheinkosten für freiwillige Wehrdienstleistende übernommen werden.
Anfang der Woche hatte es noch Verstimmung in der Koalition gegeben, weil Außenminister Johann Wadephul (CDU) zwischenzeitlich Einspruch gegen den Gesetzentwurf eingelegt hatte – mit einem sogenannten Ministervorbehalt. Nach Gesprächen zwischen den Ministerien zog er ihn aber zurück.
Die Union fordert im Gesetz verankerte verbindliche jährliche Zielvorgaben für die Aufstockung der Bundeswehr mit Freiwilligen, deren Unterschreiten Schritte zu einer Wehrpflicht auslösen soll. Die SPD setzt auf Freiwilligkeit.
Pistorius äußerte Unverständnis über den zwischenzeitlichen Einspruch von Wadephul. Er habe „kein Verständnis dafür, dass man aus dem Parlament heraus einen Gesetzentwurf der Regierung schon vorher versucht aufzuhalten über ein Ministerium“, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Pistorius machte deutlich, dass er durchaus noch mit Änderungen am Gesetz im parlamentarischen Verfahren rechnet. Es gelte die alte Regel: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag in der Regel so, wie es hineingegangen ist. Das wird hier so oder ähnlich auch sein“, sagte der Verteidigungsminister.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, beklagte vor der Kabinettssitzung Mängel an dem Gesetzesvorhaben. Der Entwurf sei eine Verbesserung, greife aber angesichts der Probleme bei der Personalgewinnung „immer noch zu kurz“, sagte Wüstner. Er verwies dabei auch auf die weitgehend stagnierende Personalentwicklung bei den Zeit- und Berufssoldaten, den „Profis“ im Militär. CARSTEN HOFFMANN