LIEBE KINDER

von Redaktion

Im Sommer kommen viele Zweibeiner an unseren See, um zu schwimmen. Unser See ist zwar nicht so groß, bleibt aber relativ kühl, weil er tief ist. Gestern rannten vier Jugendliche in den See und kreischten laut, weil ihnen das Wasser zu kalt war. Klara hatte wenig Verständnis. „Ich weiß nicht, warum die sich so anstellen“, schnatterte sie. „Lynne Cox ist im Beringmeer bei vier Grad zwei Stunden geschwommen.“

„Wer ist Lynne Cox?“, quakte ich. „Eine nordamerikanische Langstreckenschwimmerin, die versucht hat, Extremsport mit einer politischen Botschaft zu verbinden“, quakte Klara. „Indem sie zwei Stunden lang in vier Grad kaltem Wasser schwamm?“, quakte ich entgeistert. Klara lachte. „Sie ist am 7. August 1987 von der Kleinen Diomedes-Insel, die zu den USA gehört, zu der Großen Diomedes-Insel geschwommen. Letztere gehörte zu Russland, damals war das noch die Sowjetunion. Cox wollte damit ein Zeichen setzen, nämlich, dass sich die USA und Russland viel näher sind, als man denkt. Und dass sie deshalb nicht gegeneinander, sondern zusammenarbeiten sollten.“ „Von diesen Inseln habe ich noch nie gehört“, schnatterte ich. „Sie sind auch sehr klein und liegen in der sogenannten Beringstraße, einer Meerenge zwischen West-Alaska und der Ostküste Sibiriens. Obwohl die Inseln nur vier Kilometer voneinander entfernt sind, verläuft nicht nur die Landesgrenze der USA und Russland zwischen ihnen, sondern auch die Datumsgrenze. Dadurch liegen die beiden Inseln in verschiedenen Zeitzonen mit 21 Stunden Unterschied.“

Ich war baff und schnatterte: „Das scheint absurd.“ Klara nickte und fragte: „Wie ist Cox auf diese Idee gekommen?“ „Das weiß ich nicht. Nur, dass sie elf Jahre gebraucht hat, um sie umzusetzen und dass sie bis zuletzt nicht sicher war, wie die Russen auf sie reagieren würden, wenn sie es tatsächlich bis zur Großen Diomedes-Insel geschafft hat. Sie war nicht mal sicher, ob sie die Insel tatsächlich betreten würde dürfen.“

Wie reagierte die russische Bevölkerung, fragte ich. „Die haben Cox begeistert in Empfang genommen“, quakte Klara und fügte an: „Es ist sportlich auch eine ungeheure Leistung. Die Wetterverhältnisse im Beringmeer sind schlecht vorhersehbar und ändern sich schnell, das Wasser eisig. Das war schon ein doppelter Kraftakt – sportlich und politisch.“ „Komisch, dass ich davon noch nie gehört habe“, quakte ich. Klara schnatterte: „Damals waren die USA und Russland dabei, sich politisch anzunähern. Inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen den Ländern wieder sehr verschlechtert und diese tolle Idee und unglaubliche Leistung ist leider in Vergessenheit geraten. Ich finde den politischen Ansatz und den Mut von Lynne Cox sehr bewundernswert.“

Eure PaulaTEXT: SYLVIA BOLTON

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