INTERVIEW

„Viele fürchten, etwas zu verpassen“

von Redaktion

Berater Matthias Deubelli gibt Jugendlichen Tipps zur Berufswahl

Viele junge Menschen beginnen am Montag eine Ausbildung. Zum Beispiel als Sattler oder in einem anderen Handwerk. © dpa

Landshut – Am 1. September beginnen in Bayern die meisten Ausbildungen, am 1. Oktober startet das neue Semester an den Universitäten. Doch viele junge Menschen sind noch immer unentschlossen, welchen Weg sie wählen sollen. Matthias Deubelli ist Berufsberater an der Agentur für Arbeit Landshut-Pfarrkirchen. Im Interview berichtet er, ob Jugendlichen eine Entscheidung heute schwerer fällt als früher und welche konkreten Tipps er für die Berufswahl hat.

Haben junge Menschen heute mehr Schwierigkeiten, sich für einen Beruf zu entscheiden?

Was man heute definitiv feststellen muss, ist die Vielzahl von Angeboten. Es gibt über 300 Ausbildungsberufe, ungefähr 11 000 Bachelor-Studiengänge und noch mal so viele Master-Studiengänge. Wenn ich an die Generation meiner Eltern denke – da gab es einfach nicht so viele Möglichkeiten. Außerdem sind sie heute mobiler. Was man aber auch im Verhalten der jungen Leute merkt, ist die Angst, etwas zu verpassen: vielleicht doch noch einen anderen Beruf oder Arbeitgeber zu finden, der besser passt. Das nennt sich FOBO – Fear of better options. Diese Idee: Ich habe zwar jetzt etwas gefunden, aber ist es wirklich das Beste, was es gibt? Da tun sich manche schon schwer, sich festzulegen.

Worauf bezieht sich dieses „etwas Besseres“ – auf mehr Gehalt, bessere Arbeitszeiten? Was ist jungen Menschen wichtig?

Zum Teil können die Jugendlichen das gar nicht konkret benennen. Das macht es natürlich schwierig in der Beratung. Da spielen individuelle Faktoren eine Rolle.

Wie reagieren die Arbeitgeber darauf, dass junge Menschen sich schwerer festlegen können?

In Bayern hat sich der Ausbildungsmarkt gedreht. Wir haben Nachwuchsmangel, also mehr Lehrstellen als Bewerber. Die Bewerber haben die Wahl. Und wenn sie vier Zusagen haben, sagen sie dreien wieder ab. Für den Bewerber ist es natürlich besser, eine aktive Entscheidung treffen zu können. Die Arbeitgeber kämpfen deshalb um ihre Azubis, etwa mit finanziellen Anreizen. Oder sie sagen: Wenn du zu uns kommst, bekommst du ein aktuelles iPhone.

Was kommt bei den jungen Leuten gut an?

Den Jugendlichen ist eine schnelle Rückmeldung wichtig. Wenn sie bei einem Vorstellungsgespräch waren und der Arbeitgeber direkt sagt: Das passt, hast du Lust, bei uns anzufangen? Und das machen die Arbeitgeber auch, weil sie merken: Je länger sie warten, umso eher hat der Bewerber noch einen anderen Pfeil im Köcher.

Wie unterstützen Sie bei der Agentur für Arbeit junge Leute bei der Berufswahl?

Zunächst gibt es berufsorientierende Veranstaltungen an den Schulen. Ab der Vor-Vor-Entlassklasse versuchen wir, jedes Jahr mindestens einmal mit einer Doppelstunde in die Klassen zu gehen. Dort nähern wir uns der Arbeitswelt, zunächst noch spielerisch. Die Schüler können auch jederzeit Gespräche in der Schule mit uns vereinbaren oder in die Agentur kommen, auch mit den Eltern zusammen. Offiziell sind wir bis zum Ende der Ausbildung zuständig. Die Jugendlichen kommen auch, wenn sie während der Bewerbungsphase unsicher sind oder wenn es während der Ausbildung Probleme gibt – wir helfen und leisten auch mal seelischen Beistand. Nur Rechtsberatung dürfen wir nicht machen.

Welche Rolle spielen Soziale Medien bei der Vorstellung vom Arbeitsleben?

Social Media blendet und verzerrt vieles. Der Eindruck, der dort oft entsteht, ist: Ich muss nicht viel tun, verdiene trotzdem einen Haufen Geld, habe ständig tollen Urlaub, und die Arbeit macht immer Spaß. Ich sage den Jugendlichen: Selbst in meinem Beruf, den ich gerne mache, sind Sachen dabei, die mir nicht taugen. Arbeit ist kein dauerhaftes Vergnügen.

Wie kann ich herausfinden, ob eher ein Studium oder eine Ausbildung zu mir passt?

Da ist die Frage nach dem Lernaufwand: Will ich nach dem Abitur wieder lernen? Eine andere Frage ist: Wie stellst du dir deinen Arbeitstag vor? Ich erkläre den Unterschied so: Das Studium bereitet einen darauf vor, täglich Probleme zu analysieren, Lösungen zu erarbeiten, umzusetzen und wieder zu reflektieren und das nicht nach Schema F. Die Ausbildung bereitet mich darauf vor, einen Vorgang anhand einer Checkliste abzuarbeiten – zum Beispiel als Kfz-Mechaniker, der ein Problem im Auto identifiziert und dann repariert. Grundlage sollten immer die eigenen Interessen, Stärken und Ziele sein.

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