Über Nacht Leiter eines Asylheims

von Redaktion

Mittlerweile abgerissen: Im ehemaligen Altenheim Don Bosco in Germering wurden 2015 Flüchtlinge untergebracht. © Greif

Helfer in der Krise: Klaus Frank ist 2015 aus seinem Ruhestand zurückgekehrt, um ein Asylbewerberheim zu leiten. © Walter Weiss

Germering – Anfang September 2015 sitzt Klaus Frank zu Hause in Germering (Kreis Fürstenfeldbruck), sieht im Fernsehen die Nachrichten vom Münchner Hauptbahnhof, wo jeden Tag tausende Geflüchtete ankommen. Und er ist sich sicher: Das geht nicht mehr lange gut, die Behörden werden mit der Registrierung nicht mehr hinterherkommen. Sie werden Hilfe brauchen.

Frank ist 63 und im Ruhestand. Bis vor Kurzem war er noch Polizeichef in seiner Stadt. Und er behält Recht. Schon wenige Tage später erreicht ihn ein Brief der Regierung von Oberbayern. Ein Hilferuf – verschickt an alle 2651 Ruhestandsbeamten, mit der Bitte, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu helfen. „Natürlich habe ich geholfen“, sagt er heute. Aber wie diese Hilfe aussehen würde, konnte er damals noch nicht ahnen. Frank denkt, er würde den ganzen Tag am Computer sitzen und Daten eingeben. Dafür werden er und die anderen Freiwilligen einen Tag lang geschult. Direkt danach spricht ihn der Ausbilder an. Er will wissen, ob Frank sich vorstellen könne, in Germering ein Flüchtlingsheim zu leiten. Er müsse „einfach da sein“, nach dem Rechten schauen, heißt es. Frank hatte durch seine Arbeit als Polizeichef gute Kontakte zur Stadt. Und er ist Realist genug, um zu ahnen, dass es so einfach nicht wird. Trotzdem sagt er zu.

Einen Tag später tritt er seinen Dienst im ehemaligen Altenheim Don Bosco an. In der Unterkunft sind 80 Asylbewerber untergebracht. Frank versucht, sich einen Überblick zu verschaffen. Er sitzt bei den Beratungen der Caritas dabei, nimmt Kontakt mit anderen Asylunterkünften auf, organisiert Dolmetscher für die vielen Nationalitäten und eine ärztliche Versorgung. Unter den Geflüchteten ist eine Afrikanerin mit einem herzkranken Kleinkind, sie muss dreimal pro Woche ins Klinikum Großhadern gebracht werden. Zu Weihnachten organisiert Frank einen Christbaum und kleine Geschenke für die Kinder. Immer wieder müssen neue Schlafplätze organisiert werden, zu Spitzenzeiten ist das Heim mit 140 Menschen belegt. Seine Erfahrung als Polizeichef hilft ihm. Er kann gut auf die Menschen zugehen und deeskalieren, wenn es zu Konflikten kommt. „Aber über die große Verantwortung wollte ich gar nicht nachdenken“, sagt er heute.

Sechs Monate leitet Klaus Frank das Flüchtlingsheim. Ohne große Zwischenfälle. Es war eine Zeit, in der er abends viel Fahrrad fahren musste – das hat ihm geholfen, die Schicksale nicht zu nah an sich ranzulassen. Nach einem halben Jahr ist eine Leiterin gefunden, die Arabisch spricht und ihn ablöst. Wenn er sich heute an diese Zeit erinnert, ist er stolz darauf, was Germering damals geschafft hat. Aber über Merkels „Wir schaffen das“ ärgerte er sich schon damals. „Das war unverantwortlich. Es war völlig klar, dass auf die Kommunen riesengroße Probleme zukommen.“

Und die sind bis heute nicht gelöst, sagt Frank. Nicht alle Menschen seien so einfach zu integrieren. Und ohne ehrenamtliche Helfer hätten die meisten Flüchtlinge keine Chance. Weder auf dem Wohn- und dem Arbeitsmarkt, noch auf den Ämtern, sagt der 73-Jährige. „Ich habe mich oft gefragt, wie die Menschen die Bürokratie hier meistern“, sagt er. Und manchmal fragt er sich auch, was aus den Menschen geworden ist, die damals im Flüchtlingsheim untergebracht waren.

Heute ist Klaus Frank nicht mehr im Asylbereich aktiv. Er arbeitet ehrenamtlich für den Weißen Ring. Und tatsächlich genießt der 73-Jährige inzwischen auch manchmal einfach seinen Ruhestand.

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