Impfen in der Unterkunft: 2015 kümmerte sich Otmar Strassmüller in der Turnhalle in Gmund um die medizinische Versorgung der Geflüchteten. © Andreas Leder/Archiv
Gmund – Otmar Strassmüller hat vor zehn Jahren viel Zeit in der Seeturnhalle in Gmund im Landkreis Miesbach verbracht. Damals war er Anfang 70, hatte sich aus seiner Praxis langsam zurückgezogen und begonnen, sich im Asylhelferkreis seiner Gemeinde zu engagieren. Als im September innerhalb weniger Tage zehntausende Menschen in Bayern ankamen, wurden in vielen Regionen Turnhallen in Unterkünfte umfunktioniert, um alle unterbringen zu können. In Gemeinschaftsunterkünften sind Masern-Impfungen vorgeschrieben – und darum kümmerte sich Strassmüller damals mit einigen weiteren Ärzten.
Wenn er heute an diese Tage zurückdenkt, dann nicht an die sprachlichen Hürden oder die organisatorische Herausforderung – sondern vor allem an die Dankbarkeit, die er damals erlebte. „Die Menschen waren alle sehr aufgeschlossen“, erzählt er. Sie hatten viel Vertrauen in die deutschen Ärzte. Strassmüller erklärte auf Englisch, warum die Masernimpfung wichtig ist. Diskutieren musste er nie, sagt er. Später impfte er auch gegen Hepatitis. Die meisten Geflüchteten hatten diese Impfung in ihrer Heimat nicht bekommen – einen Impfausweis hatte sowieso niemand. Strassmüller stellte die Ausweise aus. Er impft bis heute Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften und sagt: „Die Stimmung hat sich nie verändert.“
Im September 2015 setzte er nicht nur viele Spritzen, sondern kümmerte sich auch um die ärztliche Erstversorgung in den Gemeinschaftsunterkünften. Immer wieder gab es Krätze-Fälle, die behandelt werden mussten. Manche Flüchtlinge litten an Husten, einige an Durchfall. Gerade in den Anfangstagen, bevor alle die nötigen Bescheinigungen hatten, um in eine Arztpraxis gehen zu können, war Otmar Strassmüller ihr Ansprechpartner.
„In dieser Zeit sind viele freundschaftliche Kontakte entstanden“, erzählt er. Noch heute leben einige der Afghanen, Nigerianer, Syrer oder Eritreer, die er damals versorgt hatte, in Gmund. Bei dem einen oder anderen konnten Strassmüller und die weiteren ehrenamtlichen Asylhelfer Arbeitsstellen vermitteln. „Sie waren alle sehr dankbar dafür, mit den Menschen hier in Gmund in Kontakt zu kommen“, erzählt er.
Otmar Strassmüller ist sein Leben lang viel gereist – auch in Syrien war er, als das noch möglich war. Er hat es oft erlebt, dass die Menschen sich freuten, wenn er sie nach ihrer Heimat fragte. „Das waren oft spannende Gespräche.“ Otmar Strassmüller gehörte zu den Menschen, die gelassen blieben, als Merkel ihr „Wir schaffen das“ sagte. Er war nicht besorgt, als er die Bilder von den vielen ankommenden Geflüchteten sah – sondern fragte sich, wie er helfen kann. „Ich stamme aus Niederbayern“, sagt er. In seiner Kindheit landeten dort viele Sudetendeutsche, viele blieben für immer in der Region. „Damals haben wir es ja auch geschafft“, sagt Strassmüller. Rückblickend findet er: „Es ist 2015 auch gelungen.“KATRIN WOITSCH