Das alkoholfreie Weißbier von Alois Unertl IV. gibt‘s seit 2023 auch vom Fassl. © Privat
Pleite-Halbjahr am Zapfhahn: In Bayern wird immer weniger Bier getrunken. © Andreas Gebert
München – Bayern, Brezn, Bier – ist dieser Dreiklang in Gefahr? Im ersten Halbjahr des Jahres ist der Bierabsatz im Freistaat um 5,6 Prozent zurückgegangen. Bundesweit sogar um 6,3 Prozent. Umgerechnet wurden 262 Millionen Mass weniger getrunken. So schlecht ging es den Brauereien zuletzt im ersten Pandemie-Halbjahr 2020. Logisch, Wirtshäuser und Bars hatten zu, und Volksfeste gab es nicht.
Mit den Folgen kämpft die Branche noch immer. Dazu kommen gestiegene Energie-, Personal- und Logistikkosten. Da können viele nicht mehr mithalten. Zu den jüngsten Opfern zählt etwa die Olchinger Braumanufaktur im Kreis Fürstenfeldbruck. Seit Jahrhunderten ist die Zahl der gewerblichen Braustätten in Bayern erstmals unter die Marke von 600 gefallen – auf 598. In den kommenden Jahren würden Brauereien „wie Fliegen von der Wand fallen“, prognostizierte zuletzt Stefan Blaschak, Chef des Bier- und Getränkeproduzenten Oettinger.
Alkoholfreies Bier als Rettung?
Ihre höheren Kosten können Brauer nicht einfach an den Kunden weitergeben. Im Getränkemarkt wird über den Preis um jeden Käufer gekämpft. „Der Bierpreis ist ein Politikum“, sagt Walter König, Geschäftsführer beim Bayerischen Brauerbund. „Jedes Unternehmen überlegt sich Preissteigerungen sehr genau.“ Wo ein Kasten Hell zum Schleuderpreis von unter zehn Euro steht, schlägt jeder Euro mehr die Konkurrenz zurück. Bei dem Preisdumping müssen kleinere Brauereien passen. „Unser Kasten Weißbier kostet 22 Euro. Bieten Märkte ihn massiv günstiger an, gehen wir dem nach: Wir wollen ein mit Liebe gemachtes Produkt und unser Handwerk nicht verramschen“, sagt Alois Unertl IV. von der Unertl-Weißbier-Brauerei in Haag in Oberbayern. „Aktionspreise ruinieren nicht nur Brauereien, sondern auch Getränkehändler und Wirte“, ärgert sich Unertl.
Und hat der Wirt Probleme, spürt das auch der Brauer. In rund 400 Gaststätten wird Unertl-Weißbier getrunken. Vor Corona waren es mehr, viele haben dichtgemacht. „Ein großer Teil vom Rest kämpft mit Personalproblemen, was mit eingeschränkten Öffnungszeiten abgepuffert wird. Ein Ruhetag mehr bedeutet also für den Wirt und mich weniger Umsatz“, sagt Unertl. 180 Veranstaltungen hätten seine Preise heuer stabil halten können. „Wir haben zudem das Glück, als einzige reine Weißbier-Brauerei Bayerns fest in der Nische zu sitzen und treue Stammkunden aus der Region zu haben.“ Ausgaben hält der Diplom-Braumeister mit 15 Angestellten bewusst klein: Zwei Altgediente sind heuer in Rente gegangen, zwei Gesellen durften dafür nach der Lehre bleiben. Und die Familie hilft mit.
Die kommende fünfte Unertl-Generation wird noch flexibler auf die Trinkgewohnheiten der Menschen reagieren müssen – denn die trinken zunehmend lieber Alkoholfreies. „Unser preisgekröntes alkoholfreies Weißbier rettet uns – es ist vom Randprodukt zum Türöffner geworden“, sagt Unertl. Die Nachfrage steige stetig, auch durch Neukunden. „2019 machte der Anteil zehn Prozent des Gesamtausstoßes aus, vergangenes Jahr unglaubliche 25 Prozent.“
Alkoholfreies Bier ist die einzige Sorte, deren Umsatz seit Jahren wächst. Fast jedes zehnte bayerische Bier enthält keinen Alkohol, weiß Walter König vom Brauerbund. Die jüngere Generation war Jahrzehnte Hauptkundschaft, doch heutzutage will sie besonders gesund leben und trinkt weniger bis keinen Alkohol. Dazu kommt der demografische Wandel: Brotzeit-Biertrinker sterben weg. „Zusammen macht das Millionen Köpfe weniger, die Alkohol konsumieren“, sagt König. „Das spüren auch Winzer und Spirituosen-Hersteller. Die Zahlen letzterer sind seit 30 Jahren rückläufig.“
Innovation ist gefragt: Wieso nicht mal Mate-Tee im Kessel ansetzen? Von Mixgetränken aus Bier mit Limo, Cola & Co. konnten im ersten Halbjahr 2025 acht Prozent mehr abgesetzt werden. Noch machen sie mit 220,8 Millionen Litern nur 5,6 Prozent des gesamten Bierabsatzes aus. Noch. In der Branche aber rechnet man damit, dass der Bierausstoß bis 2030 von 80 auf 65 Millionen Hektoliter sinken könnte. „Deshalb sind wir längst vom Bierbrauer zum Getränkehersteller geworden“, sagte Oettinger-Chef Blaschak. „Früher haben wir wie die anderen Bier gebraut, nur günstiger. Heute sind wir die Ersten, die Getränke mit Proteinen und Ballaststoffen auf den Markt bringen.“CORNELIA SCHRAMM (mit kna)