Sie bleiben am Ball: 4,9 Millionen Mitglieder zählt der Landessportverband in rund 11 500 bayerischen Vereinen – ein rasanter Anstieg und ein neuer Höchstwert. © matimix/Getty
München – Während der Pandemie herrschte Flaute, aber jetzt rührt sich wieder was auf Bayerns Sportplätzen. Christiane Utz ist überwältigt: „Wir haben einen wahnsinnigen Zuwachs erlebt“, berichtet die Geschäftsführerin des TuS Holzkirchen im Kreis Miesbach. Rund 4000 Mitglieder zähle ihr Verein aktuell. Zuvor schwankte die Zahl um die 3000er-Marke. Der Kindersportbereich habe die Nase vorn. Gefolgt von den Erwachsenen in der Fitnesssparte. Diese betreiben gerne Pilates, Indoor Cycling und den neuesten Trend: hochintensives Intervalltraining, kurz HIIT. „Die Leute haben offensichtlich den Bedarf, sich zu bewegen“, stellt Utz fest.
Holzkirchen ist kein Einzelfall. Laut dem Bayerischen Landessportverband (BLSV) sind die Mitgliederzahlen in den bayerischen Sportvereinen noch nie so rasant gewachsen wie aktuell. Der BLSV spricht von einem neuen Höchstwert von 4,9 Millionen Mitgliedschaften in rund 11 500 Sportvereinen. „Die Themen Gesundheit und Prävention, aber auch Olympia und Bayerisches Sportgesetz halten den Run auf die Sportvereine unaufhaltsam am Laufen“, teilte der Verband kürzlich mit.
Doch der Erfolg hat eine Kehrseite. Das weiß Jonas Hoffmann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim TSV Dachau 1865, bei dem die Mitgliederzahlen ebenfalls nach oben klettern. „Die Vereine erleben ein Revival“, sagt Hoffmann. Anders als in Fitnessstudios wollten die Leute wieder Gemeinschaft erleben. Allerdings sei es eine große Herausforderung, Ehrenamtliche als Trainer oder Übungsleiter zu finden. „Die Bereitschaft ist nicht mehr so hoch.“ Angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten würden sich Leute „lieber an der Supermarktkasse was dazu verdienen“ als abends auf dem Fußballplatz zu stehen. Die Ehrenamtspauschale betrage beim TSV Dachau rund 400 Euro im Jahr. Manche Trainer aber würden hohe Geldsummen fordern, bis zu 250 Euro monatlich. „Es ist schwierig, das zu bezahlen.“
Hinzu kommt ein weiterer Kostenfaktor: die Sportstätten. Zum Einen gehe es um Betrieb und Instandhaltung vereinseigener Gebäude. Zum Anderen betrifft es die Gebühr für Hallen, die sich in öffentlicher Hand befinden und die der Verein nutzt. Im Kreis Dachau führte das kürzlich zu heftigen Debatten, als die Nutzungsgebühr um 300 Prozent steigen sollte. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss. Auch andernorts flammten Diskussionen auf, weil Kommunen und Kreise ihre klammen Kassen auf diese Weise füllen wollen. Für Hoffmann steht fest: „Die Fördermittel, die in den Breitensport fließen, müsste man anheben oder anders verteilen.“ BLSV-Präsident Ammon sagt: „Wir müssen, um weiterhin dem Ansturm der Sportbegeisterten Herr zu werden, ganz dringend unsere Sportstätten und Schwimmbäder optimieren und sanieren.“ Und: „Die neue Bundesregierung hat hierfür ein milliardenschweres Sondervermögen bereitgestellt, das es nun gilt, sinnvoll und nachhaltig in die Sportinfrastrukturen zu investieren.“
Mit dem Bayerischen Sportgesetz hingegen, das 2026 in Kraft treten soll, ist wohl kein neuer Fördertopf verbunden. Gleichzeitig sind hierbei aber weitere Aufgaben für Vereine angedacht, wie eine engere Kooperation mit Grundschulen. Die Idee: Wenn ab 2026/27 der Ganztagsanspruch für Erstklässler kommt, könnten Vereine am Nachmittag die Lehrer entlasten und Sportangebote anbieten. Der BLSV habe auch die Dachauer aufgefordert, hier nach Lösungen zu suchen, erklärt Hoffmann. Man stehe mit der Stadt in Gesprächen. „Aber das wird schwierig zu stemmen.“
Beim TSV Ebersberg jedoch gibt es derartige Angebote schon heute, berichtet Geschäftsführer Dominic Mayer. So kommen Ehrenamtliche des TSV regelmäßig in Kindergärten und Schulen, um ein Sportprogramm anzubieten. „Das klappt gut“, sagt Mayer. Sein Verein habe trotz explodierender Mitgliederzahlen genug Personal – rekrutiert aus dem eigenen Nachwuchs. Allerdings seien auch die Ebersberger mit dem Platz am Limit. Vor allem im Hallenbereich. Daher könne der TSV kein Basketball anbieten. Dass die im Raum stehende Olympiabewerbung Münchens den Mitgliederansturm pushe, so wie vom BLSV behauptet, glaubt Mayer übrigens nicht: „Ich denke, dass gerade die Jugend einen Ausgleich für Schule und digitale Welt sucht.“ MARLENE KADACH