Der heiß begehrte Deutschunterricht

von Redaktion

Plätze in Integrationskursen waren lange sehr umkämpft. Viele Volkshochschulen hatten 2015 lange Wartelisten. © brouczek

München/Bad Königshofen – Es gab eine Zeit, in der Renate Knaut nicht einkaufen gehen konnte, ohne unterwegs angesprochen zu werden. Bad Königshofen ist eine Kleinstadt in Unterfranken – als Leiterin der Volkshochschule ist sie dort bekannt. Nach dem Herbst 2015, als Plätze in Integrationskursen überall in Bayern extrem gefragt waren, hat sie selbst im Supermarkt immer wieder dieselbe Frage gehört: „Wann startet in Bad Königshofen endlich ein Kurs?“ Es hat bis Herbst 2016 gedauert, bis sie die Frage endlich beantworten konnte.

Die meisten Anbieter von Sprach- und Integrationskursen waren 2015 nicht darauf vorbereitet, dass sie so vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern helfen müssen, die deutsche Sprache und Kultur kennenzulernen. Besonders in ländlichen Regionen wie Bad Königshofen fehlten die Strukturen. „Bei uns gab es zwar schon ein Projekt für Spätaussiedler und Geflüchtete mit Bleibeperspektive“, berichtet Knaut. Aber die Lizenz, um Deutschkurse geben zu können, war damals noch in Arbeit. Und auch die Räume für den Unterricht fehlten in Bad Königshofen. Die ersten Kurse fanden im Gewölbekeller des Museums statt. Bis dahin hatten vor allem Ehrenamtliche und die Kirchen erste Deutschkurse für die Geflüchteten organisiert, die in Bad Königshofen untergebracht waren.

So wie in Bad Königshofen war die Situation damals in den meisten bayerischen Regionen, sagt Christian Hörmann, Vorstand des bayerischen Volkshochschulverbands. „Wir haben nicht nur überall Dozenten gesucht, sondern auch Räume, in denen die Kurse stattfinden konnten.“ Die Gemeinden konnten die Volkshochschulen dabei kaum unterstützen – in vielen Kommunen waren ja bereits die Turnhallen mit Feldbetten belegt. In vielen Städten und Dörfern seien damals kreative und unkonventionelle Lösungen gefunden worden, erinnert sich Hörmann. Auch, weil es natürlich im Interesse der Kommunen war, dass die Menschen schnell Deutsch lernen.

Renate Knaut hat damals viel gelernt über das Ausländerrecht, sagt sie. Viele Anträge sind damals über ihren Schreibtisch gegangen. Eigentlich hätte sie mehr als eine Verwaltungsmitarbeiterin gebraucht. Auch für die Dozenten war es aufwendig, die nötigen Lizenzen zu bekommen, damit sie die Sprach- und Integrationskurse geben konnten. Später kamen auch noch Alphabetisierungskurse dazu. „Dafür war wieder eine eigene Lizenz nötig“, sagt Knaut. Die 53-Jährige ist heute noch dankbar, für das große ehrenamtliche Engagement, dass es damals in der Kleinstadt gab. Ohne diese Hilfe hätte es deutlich länger gedauert, bis die Menschen sich einigermaßen auf Deutsch verständigen konnten.

2016 war das härteste Jahr, sagt Knaut rückblickend. In ihrem Landkreis Rhön-Grabfeld standen damals über 100 Menschen auf der Warteliste für einen Integrationskurs. Als vier Jahre später so viele Ukrainer nach Deutschland flüchteten, hätten die Volkshochschulen und die anderen Träger, die Integrationskurse anbieten, aber von den bestehenden Strukturen profitiert. „Bis heute sind die Integrations- und Sprachkurse eine große Säule in unserem Angebot.“ Meistens würden neu ankommende Geflüchtete drei bis vier Monate warten müssen, bis sie einen Kursplatz haben. In Einzelfällen deutlich länger. „Zum Beispiel wenn sie auf Kinderbetreuung angewiesen sind.“

Viele Volkshochschulen haben ihr Angebot inzwischen erweitert. „Es gibt heute viele Berufssprachkurse oder Kurse, die helfen, die Prüfungen für höhere Sprachniveaus zu schaffen.“ Renate Knaut wird beim Einkaufen nicht mehr ständig nach Integrationskursen gefragt. Dafür gibt es einige Geflüchtete, die noch immer in Bad Königshofen leben und noch mit ihr in Kontakt sind. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viele Erfolgsgeschichten miterlebt“, sagt sie. Zum Beispiel hat sie eine neue Freundin gewonnen, die stammt aus Syrien und kam 2015 in Unterfranken an. „Ihr Sohn hat grade Abi gemacht und ist heute der jüngste Dozent an unserer Volkshochschule. Er unterrichtet Hiphop und Breakdance.“

Artikel 1 von 11