Sommer ohne Mückenplage

von Redaktion

Schlechte Brutbedingungen – außer für die Tigermücke

Er hat die Mücken in Schondorf am Ammersee im Blick: Rainer Jünger vom Verein „Mückenplage? Nein, danke!“ © Andrea Jaksch

Schondorf/Wörthsee – Wenn das Frühjahr trocken ist, weiß Rainer Jünger meist schon, dass er im Sommer viel Zeit draußen verbringen wird. Denn dann bleibt die Mückenplage meist aus. So war es auch in diesem Jahr. Nur wenige Mücken haben ihn gestört, wenn er abends in Schondorf am Steg des Ammersees saß. Kein Vergleich zum letzten Jahr, sagt er. „Da haben uns die Mücken fast aufgefressen.“ Rainer Jünger ist vom Verein „Mückenplage? Nein, danke!“, der die Ausbreitung von Überschwemmungsmücken giftfrei eindämmen will. „Für mehr Lebensqualität im Fünf-Seen-Land“, wie es auf der Homepage des Vereins heißt.

An laue Sommerabende am See war im Sommer 2024 nicht zu denken, berichtet er. Das lag am Starkregen und den Überschwemmungen im Frühjahr 2024. Ideale Brut-Bedingungen für die Mücken. Dieses Jahr gab es zwar einen regenreichen Juli – davor war es aber wochenlang trocken. Der Regen kam für viele Mückenarten zu spät im Jahr.

Nicht nur Rainer Jünger und seinen Vereinsfreunden ist aufgefallen, dass das nervige Gesumme diesen Sommer nicht so häufig zu hören war. „Wir haben einen großen Unterschied bemerkt“, sagt eine Apothekerin aus Wörthsee. Es seien auffällig weniger Mückensprays verkauft worden als sonst. Auch die Mitarbeiter im Seehaus Raabe am Wörthsee haben bemerkt, dass die Gäste diesen Sommer ungestörter am Seeufer sitzen konnten.

Ein ungewöhnlicher Mücken-Sommer war es nicht, erklärt hingegen Doreen Werner. Die Diplom-Biologin hat für das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung den bundesweiten Mückenatlas aufgebaut (mueckenatlas.com). Das ist eine Datenbank, die anhand von Einsendungen toter Tiere eine Art Monitoring möglich macht. Erfasst wird nicht nur, wie viele Mücken es gibt. Sondern auch welche Arten. Es gab weniger Mücken als sonst, erklärt Werner. Die Wald- und Wiesenmücken hatten dieses Jahr kaum eine Chance. Sie brauchen Regen im Frühjahr – wenn der ausbleibt, gibt es keine Brut. Für die Hausmücken hat sich die Brut nach hinten verzögert. „Die nehmen wir jetzt gerade wahr“, sagt die Expertin. Die kühleren Tage könnten aber Einfluss auf ihre Verbreitung haben. Denn sie brauchen nicht nur Wasserlachen, sondern auch Wärme. Genau wie Überflutungsmücken, die nach Starkregen oder Hochwasser aktiv werden. „Von einer Mückenplage spricht man ab 20 Stichen pro Minute“, sagt Werner. „Das hatten wir auch letzten Sommer nicht.“ Obwohl die Mücken damals deutlich bessere Bedingungen hatten.

In Deutschland gibt es 54 verschiedene Mückenarten, erklärt Werner. „Jede hat ein eigenes Spektrum für die Entwicklung.“ Auffällig ist seit einigen Jahren, dass es invasive Mückenarten durch den Klimawandel leichter haben, sich in Deutschland auszubreiten. „Diese Arten kommen mit der Trockenheit viel besser klar“, erklärt die Biologin. Dazu gehört zum Beispiel die Asiatische Tigermücke. Sie ist inzwischen in Baden-Württemberg verbreitet und wird auch immer häufiger in Bayern gesichtet. Die Tigermücke kann über 20 Krankheitserreger übertragen, wenn sie die über infizierte Reiserückkehrer aufnimmt. Noch ist das in Deutschland nicht vorgekommen, sagt Werner. Auch, weil sie und ihre Kollegen versuchen, die Verbreitung der Tigermücke einzudämmen.

Dafür ist der Mückenatlas wichtig. Wenn Werner eine tote Tigermücke eingesandt bekommt, die aus einer Region stammt, in der die Art noch nicht aufgefallen ist, fahren sie oder ihre Kollegen dorthin und suchen die Gärten nach Mücken-Eiern in Wasserlachen ab. „Wenn man rechtzeitig reagiert, bekommt man die Mücken wieder weg.“ Im Landkreis Erding zum Beispiel ist das gelungen. Die Mücken-Experten empfehlen den Behörden bei einem Nachweis der Tigermücke, BTI-Tabletten in stehende Gewässer oder Regentonnen zu legen. BTI ist kein Gift, sondern ein Bodenbakterium, das Eiweißkristalle bildet. Ein tödlicher Wirkstoff gegen Mückenlarven.

Die Chiemsee-Gemeinden nutzen BTI-Tabletten längst, um die Verbreitung von Mücken einzudämmen. Der Abwasser- und Umweltverband bringt den Wirkstoff rund um das Seeufer aus. „Dieses Jahr haben wir den richtigen Zeitpunkt erwischt“, sagt der Geschäftsführer Quirin Schwaiger. Auch dort konnten diesen Sommer viele Menschen die Abende am See genießen, ohne zerstochen nach Hause zurückzukehren. KATRIN WOITSCH

SANAA LANG

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