„Ein typischer Kompromiss“

von Redaktion

Aiwanger lobt neues Jagdgesetz – doch es ist umstritten

Auf der Lauer: ein Jäger auf dem Hochsitz. Wegen Verbisschäden muss oft viel geschossen werden. © Robert Schlesinger/pa

München – Habemus Jagdrecht – nach zähem Ringen haben sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) und Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) vergangene Woche auf Änderungen im Jagdgesetz geeinigt. Die beiden Kontrahenten waren von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu einer Einigung fast gezwungen worden. Vor allem Aiwanger zeigt sich nun zufrieden. „Zentrale Anliegen“ der Freien Wähler seien in der Reform verankert, schreib er auf der Internet-Plattform „X“. Und weiter: „Ein Erfolg der Freien Wähler und des Jagdministers.“ Doch was ändert sich im Detail, und was bringt das neue Jagdrecht für den Wald?

Gerhard Langreiter spricht von einem „typischen Kompromiss“. Dem Landwirt und Bauernverbands-Mitglied im Landkreis Mühldorf gehören 7,5 Hektar Wald in einem größeren Forstgebiet, das nach den Verbissgutachten größtenteils als „rot“ eingestuft wird. Alarmstufe Rot also – es gibt zu viel Verbiss. Das ist in Bayern in knapp der Hälfte der 12 700 Jagdreviere der Fall. In Bayern sind sie in 755 Hegegemeinschaften zusammengefasst. Davon werden 51 Prozent als „grün“ beurteilt – 22 haben einen günstigen, 362 einen tragbaren Waldzustand. In 356 Hegegemeinschaften wird der Verbiss als zu hoch, in 15 als deutlich zu hoch eingestuft. Langreiter kann das nur bestätigen. „Gnadenlos verbissen“ würden junge Triebe von Buche und Tanne in seinem Wald. Von Naturverjüngung keine Spur – es kommen nur extra gepflanzte Bäume hoch, die mit Verbissschutz umhüllt oder gar eingezäunt werden müssen. Langreiter findet das schade. „Es ist mittlerweile in den Köpfen drin, dass Wald nur wächst, wenn man die Bäume anpflanzt“, kritisiert er. „Dabei müsste Naturverjüngung doch eigentlich reichen.“ Das steht sogar im Jagdgesetz: „insbesondere soll die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen“, heißt es gleich in Artikel 1.

Die Einigung beim Jagdgesetz sieht Langreiter daher kritisch. Aiwanger hat bei der Reform durchgesetzt, dass in den „roten“ Gebieten die Abschuss-Verpflichtungen gelockert werden können. Der Minister spricht von „Eigenverantwortung“. Vom Bund Naturschutz gibt es dafür harsche Kritik. „Wenn die Reform so umgesetzt wird, wäre das ein schwarzer Tag für den Wald in Bayern“, warnt BN-Ehrenvorsitzender Hubert Weiger. Denn neu ist: „Grüne“ und sogar „rote“ Gebiete können künftig auf einen Abschussplan verzichten, wenn die Jäger das wollen.

Rehe dürfen früher geschossen werden

Die Voraussetzung: Die Hegegemeinschaft muss dann jährlich einen „Waldbegang“ durchführen und ein „Jagdkonzept“ vorlegen. Details sind noch nicht bekannt, den Jägern werden aber „Orientierungshilfen“ versprochen. Ob hier konsequente Abschüsse als Regelmaßnahme vorgesehen werden, ist offen.

Etwas rigoroser sind die Vorschriften für Jagdgenossenschaften, die schon „wiederholt“ rot eingestuft wurden. Hier werden die Jäger zum Abschussnachweis verpflichtet – sie müssen entweder das tote Tier bei den Jagdbehörden vorlegen oder zumindest ein Foto. Im Kabinettsbericht wird aber in etwas kryptischer Sprache betont: „Kein solch förmlicher Abschussnachweis nötig in Gebieten, die erstmals rot sind. Grundsatz ist hier: Vertrauen.“

Zweiter Eckpunkt der Reform ist die Verlängerung der Jagdzeiten auf Schmalrehe, die noch nicht trächtig sind, und Rehböcke. Statt ab 1. Mai dürfen sie künftig schon ab 15. April geschossen werden. Ein Pluspunkt für Kaniber. Doch Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz kommentiert das mit den Worten: „Das ist für uns nachrangig.“ Naturschützer ebenso wie Waldbesitzer hatten eigentlich auf den 1. April gehofft, der 15. April ist ein Kompromiss.

Für den BN steht fest: „Für große Teile Bayerns ist das Jagdgesetz ein echter Rückschritt.“ Doch es gibt Gegenstimmen: Der Bayerische Jagdverband lobt die Einigung, obwohl er im Vorfeld sogar den Grundsatz „Wald vor Wild“ kippen wollte. Und anders als sein Mitglied Langreiter findet auch die Spitze des Bauernverbands (BBV) den „Kompromiss“ gut. Wohl auch, weil er – eher symbolisch – die Aufnahme von Wolf und Goldschakal ins Jagdrecht vorsieht. Es seien „wesentliche Punkte“ erreicht worden, sagt BBV-Generalsekretär Carl von Butler.DIRK WALTER

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