Die Moosburger Schneiderin Gabi Urban gab Nurullah Burhani eine Chance. Doch für seine Arbeitserlaubnis musste der Afghane kämpfen. © Rainer Lehmann
Moosburg/Unterhaching – Als Nurullah Burhani 2014 in Moosburg im Kreis Freising ankam, hatte er auf eine Chance gehofft. Der 42-Jährige ist zwar in Afghanistan geboren, hatte aber die längste Zeit seines Lebens im Iran gelebt und dort 13 Jahre als Schneider gearbeitet. Er lernte Deutsch, suchte Arbeit – und bekam das Angebot, bei einer Schneiderin in Moosburg eine Ausbildung zu machen. Im Dezember 2016 unterschrieb er den Arbeitsvertrag. Wenige Tage später verschickte das Innenministerium ein folgenschweres Schreiben an die bayerischen Landratsämter. Es wies sie an, keine Arbeitsgenehmigungen mehr für Flüchtlinge aus Ländern mit schlechter Bleibeperspektive zu erteilen. Für Afghanistan schwankte die Schutzquote damals um die 50 Prozent. Einige Landratsämter entschieden zu Gunsten der Afghanen. Freising nicht. Burhani war der erste Flüchtling in Bayern, der gegen die Arbeitsverbote vor Gericht zog. Und er bekam Recht.
Ohne die Hilfe des Moosburgers Reinhard Kastorff hätte Burhani das nicht geschafft. Er fand eine Rechtsanwältin, die sich des Falls annahm und Burhani in jede Verhandlung begleitete. Damals entschied das Gericht, dass die Schutzquote für Afghanen zu stark schwanke und deshalb bei der Entscheidung für eine Arbeitserlaubnis kein Kriterium sein dürfe. Ein richtungsweisendes Urteil – bayernweit. Burhani ist nicht abgeschoben worden, konnte hier eine Schneiderausbildung machen. Heute arbeitet er in der Änderungsschneiderei von Hirmer und hat eine Familie gegründet, berichtet Reinhard Kastorff. Die beiden haben kaum noch Kontakt. Denn Nurullah Burhani steht nun auf eigenen Füßen.
Für viele Geflüchtete haben diese Chance allerdings nicht bekommen – sie verloren wegen der Weisung Ausbildungsstellen oder Arbeitsplätze. Und viele Arbeitgeber in Bayern verloren Mitarbeiter, die sie dringend brauchten. Eine von ihnen ist Alexandra Kurka-Wöbking, Direktorin des Seniorenstifts KWA in Unterhaching (Kreis München). Dort sind schon viele Arbeitsverträge an Geflüchtete ausgestellt worden. „Wir können sie in der Küche oder als Pflegehilfskräfte dringend brauchen“, sagt Kurka-Wöbking. Grundsätzlich habe sie sehr gute Erfahrungen mit den Flüchtlingen gemacht – aber keine guten mit den Behörden. Erst Anfang des Monats war keiner der vier Azubis erschienen, die in der Küche anfangen sollten. Drei Migranten hatten ihre Visa nicht rechtzeitig bekommen, ein Geflüchteter hatte trotz Ausbildungsvertrag einen negativen Asylbescheid erhalten.
Auch bei den Mitarbeitern, die bereits im Seniorenstift arbeiten, aber immer wieder ihre Arbeitsgenehmigung verlängern lassen müssen, gibt es regelmäßig Probleme, sagt die Stiftsdirektorin. „Häufig bekommen sie nur wenige Tage vor Ablauf der Genehmigung Bescheid, ob sie weiterarbeiten dürfen.“ Sie hat in den vergangenen Jahren immer wieder kurzfristig Mitarbeiter verloren – manche von heute auf morgen, weil sie abgeschoben wurden. Oft hat sie den Eindruck, es werden vor allem die abgeschoben, die Arbeit haben. „Als ob es nur um die Statistik geht.“ Kurka-Wöbking stellt nach wie vor Geflüchtete ein. Trotz des großen bürokratischen Aufwands. Und obwohl sie in der Anfangszeit Mitarbeiter zur Unterstützung einplanen muss. Sie macht das aus Überzeugung, sagt sie. Und weil sie die Menschen braucht. „Es wird immer schwieriger, Stellen in der Pflege oder in der Hauswirtschaft zu besetzen.“
Claudia Köhler weiß, dass es vielen Arbeitgebern so geht. Sie engagiert sich seit 15 Jahren im Asylhelferkreis Unterhaching, vor allem für das Thema Arbeit. In ihrer Gemeinde sei es in zwei Jahren gelungen, über 130 Geflüchtete in Arbeit zu vermitteln, erzählt sie. Dann wandten sich immer mehr Unternehmer an sie, weil viele Asylbewerber keine Arbeitsgenehmigung mehr bekamen. Seit 2018 sitzt Köhler für die Grünen im Landtag. „Seitdem bekomme ich solche Fälle aus ganz Bayern auf den Schreibtisch“, erzählt sie. „Oft waren es fadenscheinige Gründe, wegen denen die Flüchtlinge nicht mehr arbeiten durften.“ In einigen Regionen hätten die Landratsämter erkannt, wie wichtig Arbeit für die Integration ist, sagt Köhler. In anderen wird es den Asylbewerbern schwer gemacht. „Das ist sehr ungerecht.“ Obwohl sie den Spurwechsel der Bundesregierung – also die Möglichkeit zum Aufenthaltstitel für Menschen in Arbeit – begrüßt, ärgert sich Köhler. Erst habe es die Staatsregierung den Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt jahrelang so schwer gemacht. Jetzt würde sie so tun, als wollen Asylbewerber nicht arbeiten. Einige Arbeitgeber würden sich inzwischen nicht mehr trauen, Flüchtlinge einzustellen, weil sie fürchten, sie plötzlich wieder zu verlieren. „Dabei brauchen wir die Menschen in vielen Berufsfeldern so dringend.“