Dringend empfohlen: Rinder werden gegen die Blauzungenkrankheit geimpft. © Murat/dpa
München – Die Gnitzen sind tückisch. Mit ihrem Stich infizieren die kleinen Stechmücken Wiederkäuer mit dem Virus der Blauzungenkrankheit: Schafe, Ziegen und Rinder erkranken an der Seuche. Sie schädigt die Blutgefäße, Adern platzen in besonders durchbluteten Bereichen. Etwa der Zunge oder im Euter. Bei Schafen führt die Krankheit bei 25 bis 30 Prozent der erkrankten Tiere zum Tod, Rinder erholen sich vielfach wieder. Aber in jedem Fall sind die Tiere schwer krank, ihre Zungen schwellen an, sie haben starke Schmerzen. Blaue Zungen haben aber nur die wenigsten Tiere.
Lange Zeit war Bayern weitgehend verschont von den Insekten, die sich im vergangenen Jahr vor allem im Norden Deutschlands heftig ausgebreitet hatten. Inzwischen werden aber immer häufiger Infektionen in Bayern gemeldet. „Damit hatten wir eigentlich gerechnet“, sagt Thomas Schmidt (53), Milchreferent des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Nach Fällen im Landkreis Dingolfing-Landau und im Allgäu sind seit Kurzem auch Schaf- und Rinderbetriebe in den Landkreisen Altötting und Traunstein betroffen.
Von Mai 2024 bis Mai 2025 gab es deutschlandweit laut dem Friedrich-Löffler-Institut 17 854 Fälle vom Serotyp BTV3, darunter nur wenige in Bayern. Insgesamt gehen die Zahlen zurück. Seit Mai 2025 sind es bisher 2458. Inzwischen konzentrieren sich die Infektionen aber auf den Süden. Bis Mitte September waren es 127 Fälle, davon 123 in Bayern und vier in Baden-Württemberg. Schmidt berichtet von betroffenen Betrieben in weiteren oberbayerischen Landkreisen: Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen, Rosenheim, Bad Tölz-Wolfratshausen, Ebersberg, Berchtesgadener Land. „Es breitet sich aus. Aber Panik braucht man nicht zu haben“, sagt der Experte.
Das Einzige, was hilft, ist die Impfung. Der Bauernverband empfiehlt dringend die Maßnahme, auch wenn es für die Landwirte mit Kosten verbunden ist. Zwar gibt es einen Zuschuss von zwei Euro pro Impfung, doch die kann pro Tier je nach Bestandsgröße auch bis zu 20 Euro kosten. „Allein aus Gründen des Tierschutzes sollte man das machen“, sagt Schmidt. Denn die Tiere leiden stark. Der Landwirt muss sofort den Hoftierarzt und das Veterinäramt informieren. Mit einer Impfung ist es nicht getan. Nach vier Wochen muss erneut geimpft werden, nach ein bis drei Jahren sollte der Schutz aufgefrischt werden.
Die Impfung verhindert laut Schmidt die Krankheit nicht zu 100 Prozent, aber sie mildere den Verlauf erheblich. Die Seuche bedeute für die betroffenen Landwirte auch einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden: „Die Milchleistung geht zurück. Manche Tiere erholen sich auch nicht richtig, sie werden nicht trächtig. Auch Kälber können erkranken.“
Bei aller Gefahr sei der Freistaat bislang glimpflich davongekommen, denn das Wetter habe eine starke Ausbreitung der Gnitzen verhindert. Es gab noch im Juni Spätfröste, danach lange Trockenheit. Die Mücken fanden wenig stehende Wasserflächen, in denen sie Eier ablegen konnten. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung. „Wir wissen nicht, wie warm der Herbst wird. Die Gefahr besteht überall“, sagt Schmidt. Auch wenn den Landwirten empfohlen wird, ihre Tiere eher in der ruhigen Phase im Winter und im Frühjahr impfen zu lassen, hält Schmidt diese Maßnahme jetzt durchaus noch für sinnvoll: „Es ist spät, aber nicht zu spät.“ Denn noch bis in den Oktober hinein könnten die Stechmücken die Blauzungenkrankheit übertragen.
Es sind übrigens nur die Gnitzen Überträger – das Virus wird nicht unter Rindern oder Schafen weitergetragen. Auch für Menschen ist es ungefährlich. Fleisch und Milchprodukte können ohne Bedenken verzehrt werden. Während in Bayern die Lage weitgehend im Griff ist, schießen gerade in Österreich die Zahlen in die Höhe. Hotspot ist hier Kärnten, wo sich der Virusstamm BTV 8 explosionsartig ausbreitet. Doch hier gab es auch in der Vergangenheit kaum Impfungen. CLAUDIA MÖLLERS