Schüler im Klassenzimmer am Tablet: Bringt die Technik was? © BraunS/Getty
München/Würzburg – Der Augsburger Professor für Schulpädagogik Klaus Zierer greift eine Studie der Universität Würzburg zur Tablet-Nutzung an Schulen scharf an. „Wer den Abschlussbericht liest, findet zwar keine Daten, dafür aber viele Allgemeinplätze.“ Die Studie vom Institut für Psychologie an der Universität Würzburg war im Juli veröffentlicht worden. Sie untersucht anhand von acht Schulen – alle aus dem Landkreis Aschaffenburg –, ob sich die Leistungen in Deutsch, Mathematik und Biologie durch Tablet-Nutzung verbessern. Zum Vergleich wurden vier Schulen ohne Tablets herangezogen, unter anderem das Ruperti-Gymnasium Mühldorf.
Die Frage, was Tablets im Unterricht bringen, ist politisch brisant. Ursprünglich wollte das bayerische Kultusministerium alle weiterführenden Schulen ab der 5. Klasse mit Tablets ausstatten. Nach einem Machtwort von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beginnt die Tablet-Einführung jetzt erst in den 8. Klassen.
Zierer, ein bekannter Kritiker der Nutzung von Tablets und Handys im Unterricht, wirft der Studie mangelnde Wissenschaftlichkeit vor. Entstanden sei „Auftragsforschung mit einem vorgegebenen Endergebnis“.
Grundlage der Studie seien subjektive Einschätzungen von gut 100 Lehrern, die zum Teil online, zum Teil mit Interviews abgefragt worden seien. Diese berichteten „von mehreren positiven Veränderungen durch die 1:1-Ausstattung“ mit Tablets, wie es in der 36-seitigen Studie heißt. So sei besseres Eingehen auf individuelle Lernbedürfnisse möglich gewesen und es habe organisatorische Erleichterungen gegeben, etwa weniger Kopieraufwand oder leichtere Schulranzen, weil Schulbücher ersetzt wurden. Zierer kritisiert, hier sei „die subjektive Sichtweise als bare Münze genommen“ worden. Ähnlich sei es mit den in der Studie zitierten Selbsteinschätzungen von Schülern – wobei hier noch nicht einmal die Zahl der Befragten genannt worden sei.
Harte Fakten finden sich in der Studie in der Tat kaum. Knackpunkt wäre die Frage, ob Tablet-Nutzung wirklich zu besseren Schulleistungen und Noten führt. Dazu hätten vergleichbare Leistungstests an Schulen mit und ohne Tablets durchgeführt werden müssen. Die Studie nennt zwar standardisierte Tests in Experimental- und Kontrollgruppen zu Lesen und Rechtschreibung, schränkt jedoch ein: „Die gefundenen Unterschiede betreffen nur einzelne Teilgruppen und könnten aufgrund der kleinen und ungleichen Stichproben zustande gekommen sein.“ Angeregt wird „weitere Forschung mit größeren und ausgewogenen Stichproben“. Auch das kritisiert Zierer: „Wenn schon so eine Studie aufgesetzt wird, dann sollte die Stichprobe so groß sein, dass am Ende wirklich aussagekräftige Daten stehen.“
Interessanter Nebenaspekt: Die Forscher zeigen auf, dass Schüler in Tablet-Klassen nicht nur vor den Geräten sitzen. In einer 45-Minuten-Stunde wurden die Geräte im Schnitt nur fünf bis acht Minuten aktiv genutzt. Dies spreche „für einen zielgerichteten, punktuellen Einsatz“. Schulfremd „gedaddelt“ werde mit den Geräten nur selten. Zum Ende räumen die Forscher selbst ein, dass sie von der geringen Teilnahmequote vor allem der Schüler enttäuscht seien. Sie blieb „deutlich hinter den Erwartungen zurück“. „Für zukünftige Projekte empfehlen wir eine sehr sorgfältige Abwägung, ob schulische Feldstudien mit objektiver Datenerfassung realistisch durchführbar sind.“
Die Studie wurde vom bayerischen Digitalministerium mit 600 000 Euro finanziert – der Zuschlag fiel 2022 in einer Zeit, als die jetzige Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) noch für Digitales zuständig war. Der jetzige Minister Fabian Mehring (FW) „hatte keinerlei Einfluss auf das Forschungsdesign“, betont ein Ministeriumssprecher. Gerlach hat ihren Wahlkreis in Unterfranken, Zierer vermutet, dass die Vergabe an die Uni Würzburg ebenso wie die Heranziehung Aschaffenburger Schulen kein Zufall war. Vorwürfe zum geringen wissenschaftlichen Ertrag weist das Ministerium zurück. Die Studie liefere „wichtige Impulse“. Im Übrigen sei für Aufgabenstellung und Stichprobengröße „ausschließlich“ die Uni Würzburg verantwortlich gewesen.DIRK WALTER