Unter Strom: Ralf Urban am Elektromotor der Predigtstuhlbahn.
Der Betriebsleiter: Ralf Urban (li.) mit Redakteur Johannes Welte in der Steuer-Zentrale.
Älteste Seilbahngondel der Welt: die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall. © Bodmer (3)
Bad Reichenhall – Majestätisch schwebt sie lautlos vom Ufer der türkisblauen Saalach zwischen Felsen und Baumwipfeln in die Höhe: Die knallrote Gondel der Predigtstuhlbahn fährt von der Talstation auf 476 Metern Seehöhe zur 1585 Meter hoch gelegenen Bergstation – und das seit mittlerweile 97 Jahren. Im Originalzustand. „Der elektrische Antriebsmotor, das Tragseil, die Konstruktionen an Berg- und Talstation sowie die drei Stützen aus Stahlbeton sind noch aus der Erbauungszeit“, erzählt der Betriebsleiter Ralf Urban (67), der seit 2003 an der ältesten im Original erhaltenen Großkabinenseilbahn der Welt arbeitet. „Die Predigtstuhlbahn war damals eine der modernsten Seilbahnen der Welt“, so der Diplom-Ingenieur. Allein der Steigungswinkel von bis zu 75 Prozent war eine Sensation.
Errichtet wurde die Seilbahn vom Leipziger Unternehmen Adolf Bleichert & Co., die Drahtseile wurden von der Westfälischen Drahtindustrie in Hamm geliefert. Die beiden Tragseile verrichten noch heute ihren Dienst. „Jedes besteht aus 126 Drähten und einem Kerndraht aus hoch vergütetem Stahl. So eine Qualität bekommen Sie heute nur noch selten“, betont Urban. „Die Seile sind außen voll verschlossen und haben eine glatte Oberfläche, dadurch ist Korrosion im Inneren auf ein Minimum reduziert.“ Alle zwölf Jahre werden die Seile um sechs Meter verzogen. An der Bergstation ist noch Reserveseil auf riesigen Rollen vorhanden. „In 20 Jahren wird es aber wohl Zeit für ein neues Tragseil werden“, erklärt Urban.
Zweimal im Jahr werden die Seile visuell und magnetinduktiv überprüft. Dazu muss ein Techniker auf einem Revisionssitz über der Gondel in luftiger Höhe die Seile abfahren. Zusammen wiegen diese 68 Tonnen. Ursprünglich trieben zwei Schiffsdieselmotoren an der Bergstation zwei Generatoren an, die Strom für den Elektromotor der Bahn erzeugten. „1941 wurde eine Stromleitung zur Bergstation verlegt, da Diesel kriegswichtig war“, erklärt Urban.
Eine der beiden Gondeln ist noch original. „Sie wurde aufwendig instandgesetzt“, so Urban. Die zweite Gondel ist derzeit eine Kopie, da die andere Originalgondel momentan restauriert wird. „Die Zwölfeckigkeit sorgt dafür, dass die Kabinen nicht so für Seitenwind anfällig sind“, sagt der Maschinist, der oben an der Bergstation übernachten muss, wenn nicht einer seiner vier Kollegen Dienst hat. Seit 2006 steht die Predigtstuhlbahn unter Denkmalschutz. Ob im Tal oder am Berg, überall spürt man die Eleganz der späten 1920er-Jahre. Auch im Inneren des Restaurants trifft man auf den Retro-Stil.
Dass die Predigtstuhlbahn überhaupt noch fährt, ist vor allem ihrem Eigentümer Max Aicher zu verdanken, der die Bahn nach ihrer Insolvenz 2009 kaufte. Bahn und Betrieb sind Teil seiner Stiftung. Der 91-jährige Freilassinger Bau- und Stahlunternehmer finanziert die Bahn aus Einnahmen anderer Geschäftszweige. Übrigens: Oben kann man auch heiraten oder Feiern veranstalten. Infos unter: predigtstuhlbahn.de.