Sie hören auf: Peter und Sabine Neumeier haben das Weißwurst-Frühstück zum Kult gemacht.
Einzigartig: Metzger Christan H. und seine Kollegen stellen die Würste vor Ort her. Marcus Schlaf (3)
Von Anfang an dabei ist Erwin Czasch. Auch beim letzten Frühstück packte er mit an.
Ein besonderer Genuss sind die Weißwürste für Benedikt Hausler und Lourdes Irala.
Baindlkirch – Hier geht‘s um die Wurst – und das seit zwei Uhr in der Nacht. Peter Neumeier, seine Frau Sabine und ihr Team sind früh aufgestanden. Denn schon um sechs Uhr morgens startet in Baindlkirch der Weißwurst-Wahnsinn. Jeden Donnerstag pilgern hunderte Wurst-Freunde aus ganz Bayern in das beschauliche Dorf im Landkreis Aichach-Friedberg: Das Weißwurst-Frühstück dort ist Kult – doch jetzt schließt das Zuzel-Mekka. Gestern war das letzte Essen.
„Es war eine schöne Zeit“, betont Chefin Sabine Neumeier. „Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Aufhören gekommen.“ Damit endet eine über 40-jährige Tradition. Angefangen hatte 1984 alles mit einer Baustelle im Nachbarort. „Die Arbeiter sind gekommen, weil sie Weißwürste wollten“, erzählt Peter Neumeier. Der Metzger stellte einen Biertisch auf. „Und dann wurden es immer mehr Leute und Tische.“ Die Neumeiers bauten Garagen und den ehemaligen Stall um, schnell sprach sich herum, dass es in Baindlkirch gute Weißwürste gibt.
„Es war reine Mundwerbung“, sagt Erwin Czasch. Der gelernte Metzger ist von Anfang an dabei, auch nachdem er den Job gewechselt hatte, half er, wenn nötig, weiter mit. Ehrensache, dass er auch beim Abschiedsessen mitanpackt. „Das schönste ist, wenn wir danach noch alle gemütlich zusammensitzen“, findet er.
Doch bis dahin gibt es an diesem Donnerstag viel zu tun. Die Halle ist voll, die Schlange vor der Wurstausgabe dieses Mal besonders lang. An einem der Biertische sitzen Benedikt Hausler (32) und Lourdes Irala (32). Sie leben in Paraguay und sind auf Deutschland-Besuch. Benedikt Hausler kommt ursprünglich aus Bad Tölz, in seiner neuen Heimat vermisst er die Weißwürste. „Es gibt sie zwar, aber in Bayern sind sie besser“, sagt er. „Und in Baindlkirch sind sie am besten. Sie schmecken sogar so gut, dass man sie ohne Senf essen kann.“ „Zehn von zehn Punkten“ gibt auch Lourdes Irala den Würsten. „Es ist ein Erlebnis hier“, sagt sie. Die beiden sind mit ihrem Bekannten Kristian Kaul in Baindlkirch. Mit 16 war der heute 47-Jährige zum ersten Mal dort beim Weißwurstessen. Früher hat Kaul als Elektriker gearbeitet. „Dann sind wir zum Weißwurstessen, bevor wir auf die Baustelle sind“, erinnert er sich.
„Ich war schon als Kind dort“, erzählt auch Selina Maddaloni (27) ein paar Tische weiter. Jetzt ist sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern nach Baindlkirch gekommen – auch denen schmeckt‘s super. Die einjährige Malia mampft schon an der dritten Wurst. Mitgekommen ist außerdem Anna Beck (34), die vor fünf Jahren nach Bayern gezogen ist. „Und ich wurde gleich an die Tradition herangeführt“, sagt sie und lacht. Auch Carina und Karl Rauter wollten das Baindlkirchner Weißwurstessen unbedingt einmal erleben. Sie sind Bekannte der Neumeiers und extra aus Österreich angereist. „Wir sind zum ersten Mal da“, sagen sie. Die zweistündige Fahrt hat sich gelohnt, finden sie: „Die Weißwürste hier sind sensationell.“
Doch was ist das Besondere an den Würsten? „Sie sind ganz frisch“, sagt Chef Peter Neumeier. Und: Sie sollen allen schmecken, betont er. „Die Augsburger mögen die Weißwurst eher fester, die Münchner eher lockerer und weich“, erklärt er. „Wir haben ein Rezept kreiert, das für alle passt.“
In der Wurstküche herrscht Hochbetrieb. Metzger Sascha R. steht am Kutter und vermengt die Zutaten. Schweine- und Kalbsfleisch kommen in die Wurst, dazu Salz, frische Petersilie und weitere Gewürze. Die Masse wird dann in den Wurstfüller gespritzt. Dort spritzt sie Metzger Christian H. in Schweinedarm – und das Brät wird zu Wurst. „Jede Wurst ist 85 Gramm schwer und wird dann bei 70 bis 75 Grad aufgebrüht“, erklärt der 41-Jährige. Vom Kessel geht‘s direkt auf die Teller der Besucher – das war einzigartig in Baindlkirch. Doch seit gestern hat sich‘s im Weißwurst-Mekka ausgezuzelt. CLAUDIA SCHURI