Technisches Denkmal: Antenne 1 im Radom.
Alles analog: Telefone und Vermittlungstechnik im Museum von Raisting.
Mister Erdfunkstelle: Diplom-Ingenieur Hermann Martin (68) leitete in den 90er-Jahren die TV-Übertragungsstelle in Raisting. © Gronau, Imago
Raisting – Ein Storch segelt über die feuchten Wiesen südlich des Ammersees, landet mit den Flügeln schlagend zwischen einem Gebilde, das wie ein riesiges Ei aussieht, und hinter dem gigantische weiße Schüsseln von Parabolantennen in den Himmel ragen. Ein Bild wie aus einem Science-Fiction-Film, wäre da nicht ein Barockkircherl im Hintergrund. Jeder kennt das Postkartenmotiv von Raisting.
Die historische Bedeutung der Erdfunkstelle ist nur wenigen bekannt. „Als die Post Anfang der 60er-Jahre die Raistinger Wanne als Standort für die Erdfunkstelle ausgewählt hatte, war der Widerstand vor Ort groß“, weiß der pensionierte Diplom-Ingenieur Hermann Martin (68), der noch als Beamter anfing und in Raisting in den 90er-Jahren die TV-Übertragungsstelle leitete. „Die Hügel links und rechts schirmen den Standort vor anderen Funkquellen ab“, erklärt Martin. Und der südliche Standort erleichterte die Kommunikation mit den über dem Äquator fliegenden Fernmeldesatelliten. Doch die Nachbarn unkten, dass es sich um eine getarnte Militärreinrichtung handelte. Martin erinnert sich: „3000 Bürger unterschrieben gegen die Funkstelle, darunter der Komponist Carl Orff, der in Dießen wohnte.“
Doch Postminister Richard Stücklen (CSU, 1916–2002) bestand auf den Standort und begrüßte 1963 NASA-Chef James E. Webb beim ersten Satelliten-Gespräch Deutschlands am Telefon, für das eine mobile Parabolantenne gekauft wurde.
Ein Jahr später nahm Deutschlands erste stationäre Großantenne den Betrieb auf, für die eigens eine Traglufthülle aus Daplon- und Hypalon-Kunststoffen hergestellt wurde, das Radom (Radar-Dom), die durch Überdruck aufgepumpt wird. Am 20. Januar 1965 fand die erste Live-Übertragung via Satellit ins deutsche TV mit der Vereidigung von Präsident Lyndon B. Johnson statt, 1965 begann der öffentliche Fernsprech- und Fernsehbetrieb via Intelsat I. „Später wurde 1969 die erste Mondlandung live über die Radom-Antenne übertragen“, berichtet Martin.
Es folgten vier weitere Antennen mit Durchmessern zwischen 28,5 und 32 Metern. „Die Entwicklung und Verlegung von Glasfaserkabeln unter dem Atlantik sorgten ab Ende der 80er-Jahre dafür, dass die großen Antennen nicht mehr nötig waren“, berichtet Martin. Die Telekom verkaufte das Zentralgebäude und die Antennen, die heute von privaten Betreibern für die Versorgung von Kreuzfahrtschiffen, Überseejachten oder Bohrinseln mit Telefonie und Internet verwendet werden.
In Hermann Martins Buch „Erdfunkstelle Raisting – Der weite Weg ins All“ kann man die Geschichte dieser einst größten Bodenstation nachlesen. Infos unter: erdfunkstelle-radom.de