40 JAHRE ICE

„Ich bin stolz auf meinen Beruf“

von Redaktion

Ein Lokführer berichtet – Früher war er pünktlicher unterwegs

Das Bahn-Genörgel nervt: Lokführer Heiko Sann am Münchner Hauptbahnhof. © Oliver Bodmer

Heiko Sann (55), kam vor fast 40 Jahren in Erfurt zur damaligen Deutschen Reichsbahn in Erfurt. Nach dem Mauerfall wechselte er 1991 zur Deutschen Bahn nach Augsburg, seit 1998 ist er Lokführer im Fernverkehr. Als Betriebsrat für die GDL ist er die Hälfte des Jahres freigestellt, die andere Hälfte fährt er ICE-Züge von München aus bis nach Kassel, Frankfurt oder Leipzig und zurück – ein Lokführer darf höchstens neun Stunden am Tag fahren, daher findet in diesen Städten der Personalwechsel statt.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste ICE-Fahrt?

Ja, an die erste Ausbildungsfahrt, die ging nach Kassel. Der Ausbilder stand hinter mir, erklärte mir, wie man mit dem ICE die Topographie ausnutzen kann, das spart Strom, wenn man bergab fährt. Es war ein erhebendes Gefühl, und das ist bis heute so.

Ist der ICE für Lokführer etwas Besonderes, oder ist es egal, ob man einen Güterzug fährt oder auch eine S-Bahn?

Ich bin früher auch Güterzüge gern gefahren. Aber der Fernverkehr hatte die modernsten Fahrzeuge, das hat mich damals bewogen, mich hier zu bewerben. Im ICE1, dem ältesten Modell, ist man auch noch richtiger Lokführer, weil der Zug einen eigenen Triebkopf hat. Im ICE3 ist man nur durch eine Glasscheibe von den Fahrgästen getrennt, da kann es schon vorkommen, das jemand an die Scheibe klopft.

Ist der ICE auch im internationalen Vergleich ein Premiumprodukt? Der TGV fährt ja schneller…

Er ist schon noch erstklassig, auch im Vergleich. Ich habe den Auslandsführerschein, fahre etwa auch den Schweizer Eurocity nach Lindau. Der hat auch seine Probleme, zum Beispiel viele Türstörungen.

Aber der Fernverkehr hat gerade einmal 62 Prozent Pünktlichkeit – Negativrekord.

Ja, aber nach meiner Einschätzung liegt das weniger an Fahrzeugstörungen, sondern vor allem an der maroden Infrastruktur und an externen Vorkommnissen, etwa Personenunfällen. Außerdem haben die meisten ICE lange Laufwege, und es ist nun mal bei 600 Kilometern zwischen München und Hamburg wahrscheinlicher, dass irgendetwas dazwischenkommt, als bei einer 50 Kilometer langen S-Bahn-Strecke. Richtig ist, dass auch der Fernverkehr in den 1990er-Jahren zu über 90 Prozent pünktlich war. Da fuhren allerdings weniger Züge als heute.

Kürzlich gab es einen Versuch, ein ICE erreichte zwischen Erfurt und Leipzig/Halle 405 km/h. Es geht also noch schneller.

Stimmt, ja, auf den Neubaustrecken mit fester Fahrbahn ohne Schotter wäre mehr drin. Die Frage ist, ob es sinnvoll ist. In Deutschland gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, aber nicht alle Züge erreichen das. Der ICE1 etwa schafft nur 280 km/h. Die GDL hat sogar vorgeschlagen, die Fahrzeiten auf der Basis von 250 km/h neu zu berechnen, weil dann einfach ein bisschen Puffer bestehen würde und die Züge dann pünktlicher wären.

Fahren Sie eigentlich mit Uniform?

Ja, ganz bewusst, obwohl das bei der Deutschen Bahn nicht mehr vorgeschrieben ist – es gab Streit, ob Ankleidezeiten zur Arbeitszeit zählen oder nicht. Ich bin auch stolz auf meinen Beruf. Es ist nicht alles schlecht bei der Bahn.

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