Der Mann, der Bahnwände bemalt

von Redaktion

Marcus Dörr besprüht 26 DB-Gebäude – und zwar ganz offiziell

Auf einem Blick: Theatinerkirche und Feldherrnhalle auf einem Bahngebäude am Ostbahnhof.

Künstlerische Freiheit: Hinterm Nymphenburger Schloss sieht man die Berge.

Der Klassiker: Die S-Bahn darf natürlich nicht fehlen. © Marcus Schlaf (4)

Schon mit 16 begann Marcus Dörrs Karriere als Sprayer, zunächst illegal. Mittlerweile hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

München – „Künstler, Maler und Lackierer“, so stellt sich Marcus Dörr (50) vor. Dass er irgendwas mit Farben macht, sieht man seiner Jeans an. Und ja: Er ist der Mann, der der Bahn die Wände vollmalt. Mit Graffiti-Kunst, und zwar hochoffiziell. 26 Gebäude im Münchner Osten, vom Stellwerk bis zum Trafohäuschen, besprüht er mit den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Frauenkirche, Nymphenburger Schloss, Chinesischer Turm und mehr.

Auch die Münchner S-Bahn, na klar, darf nicht fehlen. Groß prangt ein Zug auf einer Wand des elektronischen Stellwerks an der Friedenstraße. Hier, am Münchner Ostbahnhof, sind schon einige Kunstwerke zu sehen. Insgesamt erhalten 1500 Quadratmeter Fläche frische Farbe. Derzeit besprüht Dörr ein Gebäude in Berg am Laim.

Die Bahn will weg vom monotonen Einheitsgrau ihrer Immobilien, sagt ein Bahnsprecher. Die versiegelten Kunstwerke schützen auch vor „Graffiti-Vandalismus“, auch wenn das einige aus der illegalen Sprayer-Szene vermutlich anders sehen. 21 000 Graffiti werden jährlich von der Bahn bundesweit beseitigt, das kostet zwölf Millionen Euro und ist auch eine Umwelt-Sauerei, weil nur viel Chemie gegen die glänzenden Lackfarben hilft.

Auch Dörrs Kunstwerke wurden schon mit den charakteristischen Tags, quasi der Unterschrift des Sprayer, verunziert. Er nimmt das einigermaßen gelassen hin. Er war ja früher auch illegal unterwegs, räumt er ein. „Artmos4“ nannte er sich in der Szene. So heißt heute auch seine Agentur. „Ich war 16. Als ich das erfunden habe, dachte ich, das ist cool“, sagt er lachend. Heute aber geht Dörr hochprofessionell vor. Die Motive suchte er zusammen mit Bahnleuten aus, auch einige aus der hiesigen Sprayer-Szene, etwa der Künstler Loomit, der einst mit anderen Münchens ersten S-Bahn-Zug besprühte, stand beratend zur Seite.

Durch eine VR-Brille hat Marcus Dörr seine Motive vor Augen, wenn er Konturen auf die Gebäudeflächen zeichnet, ehe er dann mit den Spraydosen zu Werke geht. Kunst gehört nicht nur ins Museum, „sondern dahin, wo Menschen unterwegs sind“, sagt er. Schwierigkeiten, Motive zu finden, hat der Künstler nicht. München sei ja voll von Sehenswürdigkeiten, schwärmt der 50-Jährige, der in Offenbach aufgewachsen ist und dort auch lebt. In seiner Heimatstadt „wäre ich froh, wenn wir ein Zehntel davon hätten“.

Dörr ist in ganz Deutschland mit seinen Spraydosen unterwegs, seit 20 Jahren auch für die Bahn. Die Lounge am Frankfurter Hauptbahnhof, Bahngebäude in Berlin und Hamburg. Auch private Aufträge nimmt er an, bemalt Häuser und Innenräume. Der Münchner Auftrag ist bisher sein größtes Projekt. Bis Ende des Jahres sollen alle 26 Gebäude mit farbigen Motiven glänzen.DIRK WALTER

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