Senfmanufaktur: Die Fabrikfront im Jahr 1941. Heute ist Develey ein internationales Familienunternehmen.
Firmengründer: Johann Conrad Develey. © Develey (2)
Kostprobe: Die Senfkörner werden flockiert oder zu Senfmehl verarbeitet, erklärt Produktionsleiter Martin Huber. Er arbeitet seit 45 Jahren bei Develey. © Yannick Thedens
Unterhaching – Seine größte Erfindung basiert auf einem Versehen. So besagt es die Legende. 1845 gründet Johann Conrad Develey eine Senfmanufaktur in der Kaufingerstraße, mitten in München. Dort stellt er zunächst mittelscharfe und scharfe Sorten nach französischer Art her. Eines Tages im Jahr 1854 aber plumpst versehentlich ein heißer Schürhaken in den Senftopf, was zur Karamellisierung führt. Der süße Senf ist geboren. Diesen schlemmen bald König Ludwig von Bayern und Prinzregent Luitpold, denn ab 1874 ist Develey königlich bayerischer Hoflieferant. Fortan mischt Johann Conrad Develey, ein Mann, der gerne experimentiert, eifrig den scharfen Senf mit karamellisiertem Zucker und einer speziellen Gewürzmischung weiter. „Daraus hat sich das heutige Rezept entwickelt“, erklärt Martin Huber und hält ein Glas süßen Senf in der Hand.
Huber ist Produktionsleiter bei der Develey Senf und Feinkost GmbH mit Hauptsitz in Unterhaching im Kreis München, die heuer 180-jähriges Bestehen feiert. Was einst als kleine Senfmanufaktur begann, ist heute ein internationales Familienunternehmen an weltweit 17 Standorten mit einem breiten Portfolio. Marken wie Löwensenf, Bautz‘ner Senf, Specht, Reine de Dijon oder Koch‘s gehören zur Develey-Familie. Seit den 1970er-Jahren befindet sich das Unternehmen im Besitz der Familie Durach, die einst als Sauerkrautproduzent bekannt war. Die Geschäftsführer Stefan und Michael Durach führen Develey in vierter Generation.
Produktionsleiter Huber liebt seinen Job. Seit 45 Jahren arbeitet er bei Develey. „Es gibt keinen ruhigen Tag“, sagt er und lässt Senfkörner von einer Schaufel rieseln, die Maschinen um ihn herum rauschen laut. Die Senfpflanze, erklärt Huber, gehört zur Familie der Kreuzblütler, ist eng verwandt mit Raps und sieht so ähnlich aus: Im Sommer leuchten gelbe Blüten auf den Feldern. In den Schoten der Pflanze reifen Senfkörner heran, es gibt viele Sorten. Develey nutzt vor allem die milderen gelben Sorten – etwa für den süßen Senf – und die schärferen braunen. Die Körner werden erst gesiebt und durch Luftstrom von Fremdkörpern gereinigt. Dann zerquetscht man sie grob zu Senfschrot. Diesen maischt man mit Wasser, Essig und Gewürzen unter Rühren ein. Zum Schluss wird Maische fein vermahlen, wodurch Senf die cremige Konsistenz erhält. Diese überprüft Senfmeister Alexander Hergl. Aus einer Maschine quillt gelber Senf raus, Hergl nimmt eine Probe. „Manchmal muss man nachjustieren, je nach Rezept“, erklärt er. Aber gerade passt alles. In Bottichen reift der abgekühlte Senf dann, bis er fertig zum Abfüllen ist.
Huber marschiert weiter zur Abfüllanlage. „Je nach Produkt müssen wir die Maschinen umrüsten“, erklärt er. Rund 62 000 Tonnen Senf, Mayonnaise und Dressings werden jährlich allein in Unterhaching hergestellt und abgefüllt. Denn die Produktpalette geht inzwischen weit über den Senf hinaus. Jetzt spucken kleine Rohre Mayonnaise in Flaschen. Diese sausen auf einem Förderband weiter, bekommen Deckel, Versiegelung und Etikett verpasst und werden in Kartons verstaut. Extra Abfüllanlagen gibt es für Senfeimer sowie für kleine Senftütchen und die großen Pumpbeutel, die man auch auf der Wiesn findet. Seit vielen Generationen ist Develey auf dem Oktoberfest vertreten. Am Schluss wird die Ware in Lkw verladen. Im Labor macht Sonnwin Höfner derweil die Viskositätsmessung, den Qualitätscheck. Er zieht eine Art Fallbeil beim Viskosimeter hoch, entscheidend ist, wie weit der Senf dann innerhalb von 30 Sekunden fließt. „Je nach Sorte ist das anders“, erklärt er.
Sorten gibt es genug. „Senf ist etwas Regionales“, erklärt Sophie von Hagmann, Referentin für Kommunikation und nimmt eine Tube in die Hand. In Süddeutschland sei der süße Senf beliebt, im Osten der mittelscharfe, der Norden mag‘s scharf. „Viele Verbraucher kaufen den Senf, der bei ihren Eltern stand.“ Absatzmäßig wurde das Kernprodukt Senf aber inzwischen von Saucen überholt. Zu den Bestsellern gehören laut Hagmann süß-sauer, Burger- oder Barbecue-Sauce. 1971 startete die Partnerschaft mit McDonald‘s. Heute stammen laut Hagmann rund 90 Prozent aller McDonald‘s-Saucen in Deutschland von Develey. Das Geschäft laufe insgesamt gut. „Wir stellen uns breit und krisensicher auf.“ Unter Corona habe der Betrieb nicht so stark gelitten, da man stark im Handel vertreten sei. Der Ukraine-Krieg hingegen mache der Firma derzeit mehr Sorgen, weil dort bislang viele Senffelder lagen. Aber: „Wir wollen den Anbau in Deutschland forcieren.“ Die Tradition soll weiterleben. MARLENE KADACH