An den Unis bröckelt der Putz

von Redaktion

Freistaat kommt mit Sanierung baufälliger Gebäude kaum hinterher

Kein Zutritt: ein gesperrtes Labor in der Nürnberger Uni.

Es geht nass nei: Die Studenten Vincent Hennecke und Jannik Lieb vor einer selbst konstruierten Regenrinne in einem Hörsaal der Uni Nürnberg-Erlangen. © Julia Riese/epd (2)

München/Nürnberg – Wenn es stark regnet, suppt es an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) an allen Ecken und Enden. Besonders schlimm ist es in einem Hörsaal, erzählt Fachschaftssprecher Vincent Hennecke: „Es tropft von der Decke, läuft an den Wänden herab, und vor der Tafel bilden sich Pfützen.“ Neben den unteren Hörsaaltüren stehen Eimer und ein Wasserschieber bereit. „Es wurden schon Teile des Dachs renoviert, aber dann regnet es einfach an einer anderen Stelle rein“, so Hennecke.

Zum Semesterstart am kommenden Montag erwartet Studierende vielerorts ein Bild des Verfalls. Der Regensburger Student Felix Ipfling vom Landesstudierendenrat sagt: „Es gibt kaum Hochschulen in Bayern, an denen kein Sanierungsbedarf besteht.“ Dächer sind undicht, Wände voller Schadstoffe und ganze Gebäudeteile baufällig. So wird etwa der Hörsaal in Erlangen nicht geschlossen. Der Grund: Es gibt ohnehin zu wenig Hörsäle, und es besteht keine Gefahr für Leib und Leben. Anders ist es hundert Meter weiter an der Technischen Fakultät, wie Jannik Lieb von der Tech-Fachschaftsvertretung erzählt. Seit diesem Semester sind die Hörsäle H1 bis H3 aufgrund der hohen Belastung mit dem krebsauslösenden Stoff PCB geschlossen. Bereits vorher warnten Schilder Schwangere und Stillende vor dem Betreten des Gebäudes. „Das waren die einzigen Hörsäle, in denen experimentelle Chemie-Vorlesungen stattfinden konnten“, sagt Hennecke.

Was viele dieser Gebäude gemeinsam haben: Sie stammen aus den 1960er- und 70er-Jahren. „In dieser Zeit gab es einen Bauboom, weil die Studierendenzahlen stark angestiegen sind“, sagt Architekt Hartmut Niederwöhrmeier. „Damals war die Mentalität, dass man Gebäude für eine Betriebszeit von 30 bis 50 Jahren gebaut hat, und dann ging man ohnehin davon aus, dass neu gebaut wird. Das war der damalige Fortschrittsglaube und die Vorstellung von unbegrenzten Ressourcen.“

„Es ist ein Dilemma“, sagt eine FAU-Sprecherin. Neubauten sollen auf Dauer einige der alten Bestandsgebäude ablösen, doch bis dahin dauere es oft noch Jahre oder sogar Jahrzehnte. „Und es ist schwer vertretbar, noch viel Geld in Gebäude zu investieren, bei denen klar ist, dass sie abgerissen werden.“ Ähnlich sieht es an der Universität Regensburg aus, die 1962 gegründet wurde. Laut Gerhard Haslbeck, Baudirektor am Staatlichen Bauamt, das Instandhaltungsprojekte für die Uni durchführt, steht auch hier pro Jahr ein einstelliger Millionenbetrag für hunderte von Einzelmaßnahmen zur Verfügung. Und auch in Regensburg bröckelt es an vielen Stellen gleichzeitig. Besonders sichtbar wird das auf dem Uni-Hauptplatz, dem Forum.

An der Ludwig-Maximilians-Universität München sind Baumängel laut Zoe Ebner von der Studierendenvertretung ebenfalls ein großes Thema. Für die mit Asbest belastete Sprachwissenschaftliche Fakultät beispielsweise seien nicht genügend Gelder vorhanden, um den aufwendigen Austausch der undichten Fenster zu finanzieren.

Dabei investiert der Freistaat nach Angaben des bayerischen Wissenschaftsministeriums so viel wie nie in seine Hochschulen – derzeit sind es mehr als sieben Milliarden Euro pro Jahr. Die Sach- und Investitionsmittel, die den Bauunterhalt und kleinere Maßnahmen einschließen, machen dabei 1,8 Milliarden Euro aus. Allerdings müssen aus diesem Topf auch Mieten und Energiekosten für Gebäude und Grundstücke sowie für Maschinen und Software bezahlt werden.

Selbst aus Drittmitteln für Forschungsprojekte würden aktuell Baumaßnahmen querfinanziert. Die 1,5 Milliarden Euro, die der Freistaat aktuell in einer Investitionsoffensive in die FAU pumpt, sind laut Unisprecherin vor allem für Neubau- und Sanierungsgroßprojekte gedacht, nicht für den allgemeinen Bauunterhalt.

Der Landesstudierendenrat plant derweil einen Fotowettbewerb zu den „krassesten Sanierungssünden oder -mängeln aus Bayern“, sagt Student Felix Ipfling. Die Studierendenvertreter wollen sich für die aktuelle Generation Studierender einsetzen.

„Bis die geplanten Neubauten die jetzigen Gebäude ersetzen, ist es 2050 oder 2060“, sagt Fachschaftssprecher Hennecke. Für Leuchtturmprojekte wie die Hightech Agenda Bayern sei Geld da, „für die Strukturen, die bereits vorhanden sind“, eher nicht.EPD

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