Wurst-Spezialist: Andreas Gaßner, Obermeister der Münchner Metzger-Innung. © Oliver Bodmer
Bei ihm gibt‘s „keine Salami“: Markus Dorsch von der veganen Fleischerei in München. © Marcus Schlaf
München/Straßburg – Heute schaut Andreas Gaßner, Obermeister der Münchner Metzgerinnung, interessiert nach Straßburg, wo im Europaparlament über eine vermeintlich banales Thema abgestimmt wird. Es geht dort um die Veggie-Wurst. Die Frage: Sollen Bezeichnungen wie „Tofu-Wurst“ oder „Soja-Schnitzel“ künftig verboten sein? Wie so oft beim Thema vegane Ernährung ist die Diskussion kontrovers und hitzig. Gaßner befürwortet ein Verbot: „Wir lassen uns von der veganen Community nicht die Butter vom Brot nehmen.“
Auch Gaßner hat fleischlose Produkte im Sortiment. Aber die heißen dann anders. Zum Beispiel Vega-Stangerl (entspricht einer Wurst), -Patties (Fleischpflanzerl) oder -Käse (Leberkas). „Das ist schon wichtig: Etwas Fleischloses darf nicht als Fleisch bezeichnet werden. Die Veganer sollen sich selbst was einfallen lassen“, findet der Metzgermeister. Und er ist damit nicht allein. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) haben Zustimmung für das Verbot signalisiert. „Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan“, sagte Merz dazu in der Sendung „Caren Miosga“.
Befürworter sehen durch ein Verbot den Verbraucherschutz gestärkt. Die im Europaparlament zuständige konservative Abgeordnete Céline Imart aus Frankreich teilte mit, es bestehe „ein echtes Verwechslungsrisiko“. Pflanzenbasierte Ersatzprodukte böten etwa nicht die gleichen Nährwerte wie ihre tierischen Originale.
Doch andere halten den Vorstoß für ausgemachten Blödsinn. Der Geschäftsführer der Organisation Foodwatch, Chris Methmann, sieht etwa „Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie“. Niemand kaufe versehentlich Tofuwürstchen, weil er glaube, es seien Rinderwürste. Hersteller kennzeichneten ihre Produkte in der Regel deutlich sichtbar als „vegan“ oder „vegetarisch“.
„Das Thema wird wieder einmal zu stark politisiert“, sagt Markus Dorsch, der in der Münchner Frauenstraße einen Laden namens „Die vegane Fleischerei“ betreibt. Er ist der Meinung: „Der Bürger ist clever genug, um vegan ausgezeichnete Produkte als solche zu erkennen.“ Bei Backerbsen beschwere sich auch keiner, dass keine Erbsen enthalten seien. Privat sei er „amüsiert“ über diese Diskussion, als Unternehmer strikt gegen ein Verbot.
Auch Stephanie Wetzel vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht ein Verbot kritisch. Sie teilt mit, es sei wenig hilfreich, wenn Ersatzprodukte keine Produkt-Namen tragen dürfen, die typischerweise mit Fleisch assoziiert würden. Bei einem Begriff wie „Veganes Seitan-Schnitzel“ wüssten Verbraucher, was sie geschmacklich erwarte und welche Ersatzzutat das Produkt enthalte.
Ein Verbot erschwere die Entscheidungsfindung von Verbrauchern, heißt es auch in einem Schreiben von Unternehmen, zu denen neben Spezialisten für Veggie-Produkte wie Beyond Meat auch die Discounter Aldi und Lidl und die Fastfood-Kette Burger King zählen.
Der Hersteller Rügenwalder Mühle, nach eigenen Angaben Marktführer bei veganen und vegetarischen Ersatzprodukten, ist alarmiert: „Die kurzfristigen Umstellungskosten schätzen wir auf einen einstelligen mittleren Millionenbetrag“, sagt eine Sprecherin. Betroffen wären rund 60 Produkte. Es könnten zweistellige Millionenbeträge im Jahr verloren gehen, weil bis zu 20 Prozent der Neukäufer abspringen könnten.
Markus Dorsch von der veganen Münchner Fleischerei fürchtet, bei einem Verbot könne alles noch undurchsichtiger werden. „Wo beginnt dann die Grauzone?“ Schon jetzt gibt es vegane Produkte mit anderer Schreibweise wie „Lax“, „Thunvisch“ oder „Leber-Vurst“. Ob Dorsch seine Produkte umbenennen müsste, weiß er nicht. Die heißen beispielsweise „keine Bratwurst“ und „keine Salami“.NINA BAUTZ