Beliebt: Hans-Jochen Vogel (1926-2020). © Imago (2)
Umstritten: Michael von Faulhaber (1869-1952).
Geschätzt: Barbara Stamm (1944-2022). © Achim Schmidt
Diskussionsbedarf: Die Kardinal-Faulhaber-Straße in der Münchner Altstadt wird wegen der Haltung des Geistlichen während der NS-Zeit kritisiert. © Florian Peljak/picture alliance
München – Ein Erlebnis in Mittelfranken war der Auslöser: Vor etwa einem halben Jahr verfolgte Rudolf Neumaier, Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, die Diskussion um die geplante Umbenennung einer Schule. Der neue Name sollte an Ernestine Reuter (1870-1934) erinnern, eine jüdische Frauenrechtlerin, mutige Demokratin und Wegbereiterin. Doch das Gremium lehnte ab: Reuter habe sich das Leben genommen. Sie sei daher ungeeignet als Namensgeberin.
Für Neumaier markierte diese Diskussion einen Wendepunkt. „Da hab ich mir gedacht: Lass uns eine Positivliste mit Vorbildergeschichten machen“, sagt er. Er will nicht mit Verboten und Streichungen reagieren, sondern aktiv nach Menschen suchen, die für demokratische Werte, Menschlichkeit und Zivilcourage stehen. Das müssen nicht zwingend Politiker sein: „Ich könnte mir auch Kabarettisten, Künstler und Wissenschaftler vorstellen.“ Wer also sind Bayerns Vorbilder in Sachen Demokratie?
Der Verein ruft Bürgerinnen und Bürger dazu auf, Namensvorschläge für Straßen, Plätze und Schulen einzureichen und die Ideen auch kurz zu begründen. Mitmachen kann jeder, unter allen Einsendungen werden Wochenendreisen in Orte der Demokratie verlost, etwa Bamberg, Regensburg und Herrenchiemsee. Alle Teilnehmer erhalten eine Sonderausgabe der Kulturzeitschrift MUH, die 2026 zum 80. Jubiläum der Bayerischen Verfassung erscheint. Eine hochkarätige Fachjury prüft die Vorschläge. „Eine bessere Jury hätten wir uns nicht wünschen können“, sagt Neumaier. Sie besteht aus Prof. Dr. Martina Steber (Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin), Prof. Dr. Ferdinand Kramer (Bayerische Akademie der Wissenschaften) und Prof. Dr. Bernhard Löffler (Universität Regensburg).
Neumaier wünscht sich besonders viele Vorschläge für Frauen, die zu Unrecht in der öffentlichen Erinnerung unterrepräsentiert sind. Als Vorbilder nennt er selbst etwa Barbara Stamm, die erste Präsidentin des Bayerischen Landtags. Aber auch Männer wie Alois Glück, langjähriger Landtagspräsident und Brückenbauer, Wilhelm Hoegner, bekannt als „Vater“ der bayerischen Verfassung, und Hans-Jochen Vogel, prominenter SPD-Politiker und streitbarer Demokrat, seien würdige Namensgeber. Wichtig sei auch, „dass wir Menschen vorschlagen, die nicht ständig im Rampenlicht stehen. Unsere Jury hat die Kapazitäten, da zu forschen.“
Die Liste der Vorschläge soll in Etappen öffentlich einsehbar auf der Vereins-Homepage veröffentlicht werden. Außerdem will Neumaier sie dem Gemeindetag vorlegen.
Mit der Aktion reagiert der Verein auch auf wiederkehrende Konflikte. Immer wieder werden historisch belastete Straßennamen diskutiert, zuletzt etwa in München, Nürnberg oder Eslarn (wir berichteten). Namen wie Paul von Hindenburg, der Hitler 1933 ins Amt hob, oder Ludwig Thoma, dessen späte Schriften antisemitisch geprägt waren, gelten heute als problematisch. Sie verdeutlichen, wie wichtig eine bewusste Auswahl von Namenspaten ist.
Der neue Ansatz setzt auf konstruktives Erinnern statt auf bloßes Streichen. Neumaier: „Alle sollen brainstormen und überlegen, welche tollen Vorbilder wir hier haben.“ Sogar eine Einbindung von Schulen über P-Seminare könne er sich vorstellen. Am Ende soll eine Liste stehen, die nicht nur Straßenschilder neu prägt, sondern auch das Selbstverständnis: Demokratie ist sichtbar – mitten im Alltag.
Infos zur Aktion
Teilnahmeschluss ist der 31. März 2026. Ideen können auf der Website heimat-bayern.de/wegbereiter-der-demokratie eingereicht werden.