Am Schreibtisch verfasste Albert Bichler über 300 Kolumnen für unsere Zeitung. © A. Schmidt
Germering – Wer hat Namenstag? Welches Brauchtum wird gefeiert und woher stammt es? Welche Bauernregel bestimmt das Wetter der nächsten Tage? Wer das wissen möchte, wird jeden Samstag in unserer Zeitung im Brauchtums-Kalender mit Wissen versorgt. Der kluge Kopf dahinter ist seit fast 26 Jahren Albert Bichler – pensionierter Grundschulrektor, promovierter Pädagoge und Volkskundler. Heute wird der Philologe aus Germering im Kreis Fürstenfeldbruck 90 Jahre alt. Über 300 Mal hat Bichler unseren Lesern ein liebevoll zusammengestelltes Heimatgefühl präsentiert.
Albert Bichler ist seine berufliche Karriere nicht in die Wiege gelegt worden. 1935 geboren, besuchte er ab 1942 die Dorfschule in Unterpfaffenhofen. Pfarrer Michael Pfeifer erkannte damals das Talent des Buben. Denn der kleine Albert war bei ihm Ministrant und beherrschte schnell die lateinischen Messtexte. „Pfarrer Pfeifer hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin“, denkt Bichler mit Dankbarkeit an den Seelsorger von St. Jakob zurück, der die Eltern davon überzeugte, den Buben aufs humanistische Gymnasium zu schicken. Pfeifer paukte mit ihm im Pfarrhof Latein und Algebra. Und eröffnete dem Schüler so den Weg zum Studium. Noch vor dem Abitur musste Bichler den frühen Tod seiner Mutter verkraften. Sie starb mit nur 55 Jahren an Multiple Sklerose. „Das hat mich tüchtig durchgerüttelt“, sagt er.
In einer Frauendomäne fand Bichler seine Bestimmung: Er wurde Grundschullehrer. „Junge Menschen und Kinder – das war meine Welt“, sagt er. Doch er wollte sich beweisen, dass er noch mehr kann. Also besuchte er Seminare an der Uni und promovierte über „Die Bildungsziele in den Lehrplänen der BRD und DDR“. Schließlich wurde er Schulleiter an der Kleinfeldschule und blieb es 23 Jahre lang. „Niemals musste ich mich bei einem Schüler entschuldigen“, sagt er rückblickend. Körperliche Züchtigungen waren ihm ebenso fremd wie verbale Ausfälle.
Seine kleine Tochter durfte im Kindergartenalter mit dem Papa in die Grundschule gehen. Während er unterrichtete, blätterte sie in seinem Büro den Quelle-Katalog durch. Bichler lacht – heute wäre so etwas natürlich undenkbar. Bei seiner Cordula aber hat der frühe Kontakt zur Schulwelt einen solchen Eindruck hinterlassen, dass sie heute selber Schulleiterin in München ist.
Nicht nebenbei, sondern zusätzlich machte er sich einen Namen als Brauchtumsexperte und Volkskundler. Bichler wurde nicht nur Kolumnist unserer Zeitung. Er schrieb zahlreiche Bücher über Brauchtum, aber auch acht Kinderbücher, darunter eines mit Kindergebeten („Weil ich mit dir reden will“) , das sich 100 000 Mal verkauft hat. Im Bayerischen Hörfunk moderierte er Volksmusiksendungen.
Er gründete einen Heimatverein in Germering. Inspiriert durch die Osterbrunnen im Norden Bayerns regte er auch in seiner Heimatgemeinde an, einen solchen Brunnen mit angemalten Ostereiern zu bauen. Der Heimatverein brachte dafür 35 000 Euro auf. Heute ist der Brunnen an der St.-Jakobs-Kirche ein beliebter Treffpunkt.
Albert Bichler ist sorgfältig und beharrlich. Wenn er auf sein langes Leben zurückblickt, ist er dankbar, dass sich vieles gefügt hat. Getragen haben ihn sein Glaube und die Liebe zur Heimat. Das hemdsärmelige, brachiale ist nicht seine Art. „Ich bin ein stiller Kämpfer“, sagt er mit verschmitztem Lächeln. Sein liebstes Brauchtumsfest? „Nicht das Oktoberfest“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Leonhardi, Nikolaus und „alles rund um die Krippe“ – das ist eher etwas für den Brauchtumsexperten. Zu seinen Lieblingsheiligen gehört sein Namenspatron Albertus Magnus (1200–1280). Der Universalgelehrte ist ihm Vorbild.
Jede einzelne Kolumne hat Albert Bichler Jahr für Jahr neu formuliert. Einfach kopieren und im nächsten Jahr wiederverwenden, das hat es bei ihm nicht gegeben. Für seine Texte griff er auf sein Wissen aus dem Volkskundestudium zurück, sein Arbeitszimmer ist voller Literatur. Exkursionen und Austausch mit anderen Volkskundlern gehörten auch zur Recherche.
Jetzt, mit 90 Jahren, lassen ihn seine Augen langsam im Stich. Lesen fällt ihm zu seinem Bedauern immer schwerer. Zeit, auch von seiner geliebten Kolumne Abschied zu nehmen. Ende dieses Jahres soll Schluss sein. Aber Albert Bichler wäre nicht Albert Bichler, wenn er nicht schon alles vorbereitet hätte: Bis Ende 2025 sind alle Kolumnen geschrieben und warten auf ihre Veröffentlichung. Versprochen ist versprochen. CLAUDIA MÖLLERS