Diese Anlieger sprechen sich für den Bau des neuen Quartiers in Taufkirchen aus. © Schlaf
Erster Entwurf: So könnte das Bahnhofsquartier Taufkirchen aussehen. © Steidle Architekten
Taufkirchen – Schön sei es hier schon lange nicht mehr, da sind sich viele Anlieger einig: grauer Beton, marode Fassaden, viel Leerstand. Dieser Blick bietet sich einem, der durch das Gewerbegebiet westlich des Bahnhofs in Taufkirchen läuft. Der Anblick sei nur ein Problem – der Zustand des Gebiets mache es aber auch den Gewerbetreibenden zunehmend schwer: „Wir können so nicht mehr arbeiten“, sagt Agnia Bartle, die dort eine Physiotherapie-Praxis betreibt. Ihre Fenster seien marode, die Heizungen schwach: „Wir kommen mit dem Reparieren und Flicken kaum hinterher.“ Die einzige Lösung für sie: Abriss und Neubau.
Genau das ist der Plan: Mit dem „Quartier am Bahnhof“ soll in Taufkirchen nach und nach ein neues Viertel entstehen – auf einem rund 18 Fußballfelder großen Areal (wir berichteten). Ein Mix aus Gewerbeflächen, sozialen Einrichtungen, Geschäften und Wohnungen für bis zu 2000 Menschen. Hinter dem Projekt stehen vor allem das Immobilienunternehmen Rock Capital Group und die Bäcker- und Konditoreigenossenschaft Bäko. Läuft alles nach Plan der Bauträger, könnten bis Ende 2026 die ersten Bagger anrollen. Dagegen regt sich aber Widerstand im Ort – vor allem die Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT) will für ein Bürgerbegehren gegen das Projekt mobilisieren. Sie befürchtet eine Bevölkerungsexplosion, stark steigenden Verkehr, mehr Versiegelung.
Manche Anlieger fürchten, dass ein Bürgerbegehren die Pläne weiter verzögern wird: „Seit Jahren wird mit großem Engagement geplant, diskutiert und gearbeitet. Es wäre sehr traurig, wenn all diese Mühe umsonst gewesen wäre“, sagt Cornelia Löwig, die zwei Apotheken in dem Areal führt. Die Erwartungen an das neue Quartier seien bei vielen groß. Einige dieser Anlieger sind gestern zu einem Vor-Ort-Termin gekommen, um über aktuelle Probleme zu sprechen – wie der Internist Oliver Groll: „Wenn hier nicht bald was passiert, ziehen möglicherweise Arztpraxen weg“, sagt er – genauso wie andere Gesundheitseinrichtungen. Davon gibt es dort einige – sie sollen teils in ein neues Ärztehaus umziehen, es wäre eines der ersten Bauprojekte des neuen Quartiers. Bitter nötig, findet Groll. Denn größere Sanierungen der derzeitigen Gebäude seien aufgrund der Bausubstanz und des Neubaukonzepts nicht wirtschaftlich, heißt es von den Investoren.
Die ersten Ideen, das Quartier neu zu gestalten, reichen bereits ins Jahr 2013 zurück. Weil sie die Gemeinde ein städtebauliches Gesamtkonzept für das Areal wünschte, mussten die Investoren zunächst mehrere Grundstücke zukaufen. Vor drei Jahren entschied sich der Gemeinderat nach einem Architekturwettbewerb für den Entwurf von Steidle Architekten. Danach wurde der Plan nochmals angepasst, wobei auch Bürger beteiligt wurden. Für manche Anlieger ist es deshalb wenig verständlich, wenn jetzt das Projekt mit einem Bürgerbegehren noch mal gestoppt werden soll, sagen sie.
Die Gegner fürchten hingegen, dass das Wachstum die Gemeinde überfordern könnte – und dass hauptsächlich Luxuswohnraum entstehen werde. Die Bauträger kontern, dass das neue Quartier schrittweise über mehrere Jahre hinweg moderat wachsen soll. Im Viertel sind Wohnungen für alle Bevölkerungsgruppen geplant – von Senioren bis Studenten. JULIAN LIMMER