Klimaneutral – aber wann?

von Redaktion

Hamburg will Ziel fünf Jahre früher erreichen: In Bayern wird gebremst

München – Im Jahr 2040 soll es in Hamburg kein Haus mehr mit einer Gas- oder Ölheizung geben. Das komplette Gasnetz wird stillgelegt. Für Autos wird wohl in der ganzen Stadt Tempo 30 gelten, und eigentlich soll der Verkehr eh deutlich reduziert werden. Hamburg will 2040 klimaneutral sein – das bedeutet, dass der Mensch und alles drum herum das Klima nicht beeinflusst. Eigentlich wollte die Hansestadt das Ziel 2045 erreichen. Aber am Wochenende haben die Hamburger in einem Volksentscheid für schärfere Klimaziele gestimmt.

Die Initiatoren feiern ihren „gewaltigen Erfolg“. Hamburg sei nun das erste deutsche Bundesland, in dem sich die Einwohner „ihr Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben“. Nur Grüne und Linke hatten die Ziele unterstützt; SPD, CDU und AfD empfahlen eine Ablehnung. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wies verhalten darauf hin, ein Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 sei nur möglich, wenn entsprechende Voraussetzungen auf Bundesebene geschaffen würden.

Trotzdem: Umweltschützer aus Bayern dürften ein wenig neidisch Richtung Norden blicken. Denn während es der Mehrheit der Hanseaten mit der Klimaneutralität gar nicht schnell genug gehen kann, hat die Staatsregierung im Freistaat Anfang des Jahres erst einmal die Handbremse gezogen.

Das Prozedere sorgte im Januar für Ärger. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte sich verplappert, dass die Staatsregierung das Klimaziel gekippt habe. Eigentlich hatte das Kabinett im November zuvor zunächst vertraulich beschlossen, den Termin von 2040 auf 2045 zu verschieben. Begründung: Ukrainekrieg, Wirtschaftskrise, die Unternehmen sollen nicht noch mehr belastet werden. Aiwanger wurde zitiert mit: „Sonst sind wir grün, aber wirtschaftlich tot.“ Irgendwann bestätigte dann auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Rolle rückwärts. Darüber regten sich vor allem die Grünen, Greenpeace und andere Umweltschutzverbände auf. Aber auch Umweltminister Thorsten Glauber (FW) betonte zerknirscht, beim Klimaschutz dürfe es „kein Nachlassen“ geben.

Dass es an der Front nicht besonders gut läuft, steht schwarz auf weiß im Klimabericht der Staatsregierung. Darin hieß es zuletzt im Juli, dass der Rückgang beim Ausstoß der Treibhausgase nicht ausreicht, um die landeseigenen Klimaziele zu erreichen. Es müssten Einsparungen in einer Größenordnung stattfinden, die Bayern noch nicht erlebt hat.

Doch nicht einmal die Marke 2040 soll gehalten werden. Das Ziel kann die Staatsregierung nicht einfach ignorieren – es ist in Bayerns Klimaschutzgesetz festgeschrieben. Um das zu ändern, muss der Gesetzentwurf in mehreren Lesungen durch den Landtag. Das ist noch nicht passiert. „Der Freistaat Bayern hat ein vom Landtag beschlossenes Klimaschutzgesetz. Auf dieser Basis wird aktuell gearbeitet“, teilt das Umweltministerium auf Anfrage mit. Vor weiteren Schritten müsse klar sein, worauf sich eine neue Bundesregierung beim Klimaschutz insgesamt festlege.

Könnte die Hamburger Entscheidung auch die Debatte in Bayern noch einmal befeuern? Einen Volksentscheid plant hierzulande niemand. Bayerns Grünen-Chefin Eva Lettenbauer sagt aber: „Wir stehen zu 2040.“ Sie verspricht sich von der Abstimmung im Norden durchaus „Aufwind für Bayern“ – auch in Zeiten klammer öffentlicher Kassen. „Klimaschutz heute ist immer günstiger als Klimaschutz morgen.“ Zentral seien Förderungen, etwa um Wohnungen so umzubauen, dass ihre Bewohner Hitzewellen gut überstehen. Und freilich auch, um alte Öl- und Gas-Heizungen zu ersetzen. „Das muss nur einmal gemacht werden“, sagt sie. Auch der Bund Naturschutz fordert, dass Bayern sich in Sachen Klimaschutz weiterentwickeln muss. „Wir brauchen ein klareres Bekenntnis“, sagt Klimareferent Kasimir Buhr. Die Entscheidung in Hamburg zeige, „dass die Mehrheit der Menschen mehr Klimaschutz will“. Es werde fälschlicherweise oft der Eindruck erweckt, dass das nicht so sei. CARINA ZIMNIOK

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