„Die Tat eines Wahnsinnigen“

von Redaktion

Messer-Angreifer von Aschaffenburg vor Gericht: Hörte er Stimmen?

Große Anteilnahme nach der Blutat in Aschaffenburg. © KUDRYAVTSEV/AFP

Helfer im Einsatz nach dem Messer-Angriff auf Kita-Kinder im Park. © Ralf Hettler/dpa

Der Angeklagte beim Prozessauftakt gestern in Aschaffenburg. Er soll im Januar einen zweijährigen Jungen und einen 41-Jährigen mit einem Messer getötet haben. © Hildenbrand/dpa

Aschaffenburg – 22. Januar 2025, ein kalter aber sonniger Mittwoch: Zwei Erzieherinnen wollen mit ihren kleinen Schützlingen an diesem Tag einen Pfau im Aschaffenburger Park Schöntal beobachten. Doch binnen Sekunden verändert sich ihr Leben dramatisch: Wuchtige Messerstiche, immer wieder, treffen zwei zweijährige Krippenkinder, die angeschnallt in einem Transportwagen sitzen und sich nicht wehren können. Auch das Eingreifen zweier mutiger Männer und einer Betreuerin kann den Messerstecher nicht stoppen.

Nach wenigen Augenblicken sind der zweijährige deutsche Junge marokkanischer Herkunft und der 41 Jahre alte, deutsche Helfer tot. Das zweijährige Mädchen aus Syrien, der weitere Helfer (damals 72) und eine Erzieherin (59) überleben schwer verletzt. Neun Monate später steht der mutmaßliche Täter vor dem Aschaffenburger Landgericht. Er ist 28 Jahre alt, afghanischer Flüchtling, polizeibekannt und vermutlich psychisch krank – paranoide Schizophrenie lautet die Diagnose.

Am ersten Verhandlungstag wirkt der Mann teils abwesend, starrt vor sich hin mit offenem Mund. Es scheint zeitweise, als verstehe er nicht wirklich, worum es in der Verhandlung geht. Seinen Geburtstag weiß er nicht mit letzter Sicherheit, auch beim Geburtsort tut er sich schwer. Selbst die Ermittler können nicht sicher sagen, wer der Mann eigentlich ist, der 2022 ohne Papiere nach Deutschland kam.

Für Verteidiger Jürgen Vongries ist es die „Tat eines Wahnsinnigen“. Der Beschuldigte habe damals Stimmen gehört und könne sich an die Attacke am 22. Januar nur diffus erinnern. Die Opfer habe der 28-Jährige zufällig ausgesucht, warum sei unklar. „Genau diese Frage werden wir nicht beantworten können.“ Sein Mandant sei ein sehr kranker Mensch. Dem psychiatrischen Gutachter sagte der Verdächtige nach Angaben seines Anwalts, er habe das rund 30 Zentimeter lange Küchenmesser aus seiner Flüchtlingsunterkunft mitgenommen, weil er Angst etwa vor den islamistischen Taliban gehabt habe, sagt Vongries. „Er habe einen Teufel im Kopf gehabt, der viel mit ihm geredet habe.“

„Der Beschuldigte litt bei Begehung der vorbezeichneten Taten an einer paranoiden Schizophrenie, aufgrund derer seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, aufgehoben war“, fasst es Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh zu Beginn des Sicherungsverfahrens zusammen. Die Staatsanwaltschaft möchte mit Blick auf die in einem ersten forensisch-psychiatrischen Gutachten angenommene Schuldunfähigkeit erreichen, dass der Afghane dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterkommt. Denn laut Gutachter ist die Erkrankung des 28-Jährigen nicht nur vorübergehend – es könnten ohne Behandlung „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ weitere, auch hochaggressive Taten folgen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Verdächtigen Mord, versuchten Mord, Totschlag, versuchten Totschlag, Bedrohung sowie Körperverletzungsdelikte vor. „Es steht völlig außer Zweifel, wer der Täter gewesen ist“, sagt ein Kriminalbeamter. Aber die Frage nach dem Warum könne er nicht beantworten. „Es war überhaupt nicht vorhersehbar, es gab keine Trigger, wir wissen nicht warum. Ich kann Ihnen kein Motiv nennen“, sagt er auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters. „Das waren absolute Zufallsopfer gewesen“, erklärt der Polizist und ergänzt: „Das hat die ganze Stadt, das hat das ganze Land erschüttert.“

Der ausreisepflichtige 28-Jährige war vor der Tat wegen mehrerer Delikte polizeibekannt und vorübergehend in Psychiatrien. Dennoch lagen die Voraussetzungen für eine längere Unterbringung des Mannes in einer Psychiatrie nicht vor. Für das Sicherungsverfahren sind bis zum 30. Oktober sechs Verhandlungstage angesetzt.ANGELIKA RESENHOEFT

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