Sandra Zeisel in Brüssel.
Eigentlich hat Sandra Zeisel mit Politik nicht viel zu tun. Eigentlich. Denn die 37-Jährige aus Kirchseeon im Kreis Ebersberg ist eine von 19 zufällig ausgelosten Deutschen, die bei der EU in Brüssel mitreden und Ideen einbringen dürfen. Sie sitzt im Kongresssaal des EU-Parlaments, ein Simultandolmetscher übersetzt ihr via Kopfhörer die Rede eines Abgeordneten aus Malta. Es geht um Generationengerechtigkeit. Dazu und zu anderen Themen möchte die EU herausfinden, was die Bürger bewegt. Deshalb hat die Kommission 150 Personen aus allen 27 Mitgliedstaaten nach Brüssel geholt. Unternehmerinnen, Hausfrauen, Väter, Auszubildende, Rentner. Die Jüngsten sind 16, die Ältesten 80 Jahre alt. Das Format heißt EU-Bürgerforum. An drei Wochenenden debattiert die zusammengewürfelte Truppe in Brüssel oder per Video-Konferenz von zu Hause aus. Das Ziel: Zehn Ideen aus der Bürgermitte, wie sich die EU aufstellen sollte, damit die EU-Bürger zufrieden sind. Ein Schritt gegen die wachsende Politikverdrossenheit.
Zeisel hat die Idee gefallen. „Als Deutsche schäme ich mich im Moment eher ein bisschen, weil wir in eine rechte Richtung driften“, sagt sie. „Das sieht in anderen Ländern zwar nicht unbedingt anders aus, aber gerade wir mit unserer Historie müssten es doch besser wissen.“ Sie fühlt sich durch das Bürgerforum der EU jetzt ein Stück weit zugehöriger, sagt sie. Als die Einladung kam, zögerte sie nicht lange. „Demokratie lebt davon, dass wir unsere Meinung sagen. Wir können uns nicht alle immer raushalten und nur schimpfen“, findet sie.
Beraten wird nun in multinationalen Gruppen, wie Gesellschaft und Alltag in 100 Jahren aussehen könnten. „Wir sind schnell bei großpolitischen Themen gelandet“, berichtet Zeisel. Umwelt, Bildung, Wohnraumnot und Arbeitslosigkeit. Sandra Zeisel ist Mutter zweier kleiner Söhne. Sie findet: Wenn es gelingt, dass junge Menschen optimistisch in die Zukunft blicken können, dann hat sich das Engagement gelohnt.UTA KÜNKLER