„An Kirchweih herrschte Ausnahmezustand“

von Redaktion

Brauchtums-Expertin Daniela Sandner über Ursprung und Wandel des Feiertags

„A g‘scheida Kirta dauert bis zum Irta – und es ko se a schicka bis zum Migga!“ Das war das Motto, wenn auf den Dörfern früher Kirchweih gefeiert wurde. Bis zum Dienstag, manchmal sogar bis zum Mittwoch, ging der Spaß damals. Am Sonntag ist es wieder so weit: Die Bayern feiern Kirchweih. Im Interview verrät Daniela Sandner vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, wie sich das Fest verändert hat – und was die Liebe mit der Kirchweih zu tun hat.

Frau Sandner, wenn am Sonntag Kirchweih gefeiert wird, hat das eine lange Tradition. Wie kam es dazu?

Es gibt schon Belege aus dem Spätmittelalter, dass die Kirchweih ein wichtiges Dorf- und Familienfest war. Ursprünglich war sie ein kirchliches Fest, ein Gedenktag zur Einweihung der Dorfkirche. Um 1500 wurde sie zu einem zentralen Ereignis im Dorf, oft mit Volksfest und Jahrmarkt. Im Laufe der Jahre hat sich ein buntes Potpourri an Bräuchen entwickelt.

Was machte Kirchweih so besonders?

Kirchweih hat viel mit Lebensfreude zu tun, schon immer ging es um das gemeinsame Feiern. Zum Essen gab es viel Fleisch, das war sonst gerade für das Gesinde nicht üblich. Die Stände spielten bei der Kirchweih keine so große Rolle mehr, verschiedene Personengruppen sind zusammengekommen. Erst danach galt die alte Hierarchie wieder. Und die Kirchweih hatte auch eine wichtige Bedeutung für die Liebe. Sie galt als inoffizieller Heiratsmarkt. Auf der Kirta-Hutschn konnten sich Männer und Frauen beim Schaukeln näherkommen.

Aber nicht immer friedlich…

Bei der Kirchweih herrschte Ausnahmezustand. Durch Straf- und Gerichtsakten ist gut belegt, dass es immer wieder zu Raufereien kam. Auch zwischen den Dörfern gab es Rivalitäten. Früher wurde die Kirchweih in jedem Dorf an einem anderen Tag gefeiert.

Warum änderte sich das?

Es artete aus. Die Leute sind von Ort zu Ort gelaufen, um zu feiern. Manche Feste gingen bis Mittwoch. Und in manchen Dörfern wurde sogar zweimal im Jahr Kirchweih gefeiert: am Tag der Einweihung der Kirche und am Gedenktag des Kirchenpatrons. Doch das war ein Problem, die Bevölkerung musste ja auch arbeiten. Deshalb legte man 1866 das dritte Oktoberwochenende als Termin für die Allerwelts-Kirchweih fest.

Und welche Bedeutung hat die Kirchweih heute?

Der kirchliche Aspekt ist immer mehr in den Hintergrund getreten. Aber um die Kirchweih mache ich mir keine Sorgen: Solang die Leute gerne feiern, wird es Kirchweih-Feste geben.

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