Ziel erreicht: Atomkraftkritiker Tom Wolf. © dw
Das Wappen mit dem Atomlogo soll bleiben. © dw (3)
Im Dorflädle gibt es Kühlturm-Lebkuchen.
Gundremmingen schafft das, sagt Bürgermeister Tobias Bühler. Von seinem Amtszimmer sieht er die Kühltürme.
Jahrzehntelang bliesen die Kühltürme Wasserdampf in die Luft, zuletzt noch bis 2021 der für den Atomkraftwerks-Block C. Nun wird gesprengt. © Stefan Puchner/dpa
Gundremmingen – Im Dorfladen, der hier im tiefsten Schwaben natürlich Dorflädle heißt, gibt es einen Kühlturm aus Lebkuchen und eine neu kreierte „Sprengwurst“ – versprochen wird ein „explosionsartiges Geschmackserlebnis“. Kaum 20 Meter entfernt in seinem Büro im Rathaus hat Bürgermeister Tobias Bühler (45) einen guten Blick auf das stillgelegte Atomkraftwerk. Er berichtet von vielen Anfragen: „Würstlesbuden“ und Döner-Imbisse, sie alle wittern ein Geschäft, wenn an diesem Samstag 12 Uhr die Gundremminger Abrissparty steigt: Die beiden Kühltürme fallen. Er habe aber alle Anfragen abgelehnt, sagt Bühler. Er wolle kein Volksfest, denn dann hätte man auch bürokratische Auflagen beachten und zum Beispiel Sanitäranlagen aufstellen müssen. So richtig zum Feiern sei in dem 1400-Einwohner-Dorf auch kaum einem zumute. Es gehe schließlich „ein Stück Heimat verloren“, sagt er. Das höre er auch oft von den Einwohnern.
Knall auf Fall soll der Ort seine Wahrzeichen verlieren, die beiden 160 Meter hohen Kühltürme werden gesprengt. Erst der Turm des einstigen Kernkraftwerks-Blocks B, 15 Sekunden später dann der von Block C. 10 000 Schaulustige erwartet der Bürgermeister, bei schönem Wetter vielleicht sogar noch mehr. 400 bis 600 Polizisten sind zur Sicherung vor Ort.
Schon jetzt sind an den Kühltürmen große Schlitze und freigesägte Flächen zu sehen – Vorbereitungen, damit die Türme in sich zusammenbrechen, nicht etwa zur Seite wegkippen. Die Staubentwicklung, wenn die 56 000 Tonnen Stahlbeton zerbröseln, könnte enorm sein. Dafür wurden etwa Schwimmbassins aufgebaut, die dann ebenfalls in die Luft gehen – die bis zu 70, 80 Meter hochgeschleuderten Wasserfontänen sollen den Staub wenigstens teilweise binden.
Gundremmingen war das erste deutsche Atomkraftwerk. Die Sprengung ist vielleicht auch ein Symbol für das Ende des Atomzeitalters in Bayern. Nach diesem Samstag wird es nur noch den Kühlturm des Kernkraftwerks Isar bei Landshut geben, der wohl ab 2038 „im Rahmen des konventionellen Abbruchs zusammen mit den übrigen Gebäuden abgetragen wird“, wie der Betreiber Preussen Elektra mitteilt. Seit der Inbetriebnahme 1966 lebte Gundremmingen mit seinem Atomkraftwerk und den beiden in den 1970er-Jahren errichteten Kühltürmen, deren Dampfwolken man sogar von der Bergstation des Hörnle im Landkreis Garmisch-Partenkirchen aus sah.
Widerstand vor Ort habe es kaum gegeben, sagt Pfarrer Richard Harlacher. Der 90-Jährige empfängt im Pfarrhaus. An der Wand eine Madonnen-Figur. Auf dem Tisch: Bildbände über Gundremmingen – Harlacher ist Hobbyfotograf. „Die in Hamburg ham mehr Angst ghabt als die Leut hier“, erzählt der Pfarrer. Der erste Reaktordruckbehälter wurde noch mit der Dampflok angeliefert. Harlacher war mit dabei, als Franz Josef Strauß zur Einweihung des AKW nach Gundremmingen ins Festzelt kam. Er gab als Pfarrer seinen Segen zum Bau des Blocks, wobei er betont, er habe damals „die Menschen gesegnet, nicht die Anlage“. Nur eine Sorge trieb ihn um: Die Kühltürme sollten nicht höher sein als das 161 Meter hohe Ulmer Münster. So kam es auch: Sie sind einen Meter niedriger. Den „Atompfarrer“ nannten sie ihn in Gundremmingen, für ihn ein Ehrentitel. „Andere haben einen Stadtpfarrer, wir haben einen Atompfarrer“, sagt er.
Im Rathaus ist Bürgermeister Bühler optimistisch, dass Gundremmingen die Stilllegung des Kraftwerks wirtschaftlich gut übersteht. Das Abbruchmaterial der Türme wird an Ort und Stelle verbaut – als Fundament für eine sogenannte Peaker-Anlage, eine Art Stand-by-Gaskraftwerk, das Stromlücken auffangen soll. Die Gasleitung ist schon im Bau. Außerdem wird auf dem AKW-Gelände ein Batteriespeicher gebaut. Auf die Frage, ob wie von Ministerpräsident Markus Söder immer wieder verlangt auch eine Wiederinbetriebnahme von Gundremmingen möglich wäre, winkt der CSU-Bürgermeister nur ab. „Stand jetzt: unmöglich“, sagt er.
Nur eins wird, wenn einmal alle AKW-Anlagen verschwunden sind, noch an das Atomzeitalter in Gundremmingen erinnern: das Atomzeichen im Gemeindewappen. Das werde nicht geändert, sagt der Rathauschef, „definitiv nicht“.DIRK WALTER
1900 Parkplätze
stehen für Schaulustige zur Verfügung. Die Polizei will dafür die umliegenden Staatsstraßen halbseitig sperren.