Kosten-Explosion in der Kita

von Redaktion

Immer mehr Einrichtungen erhöhen Gebühren – Träger appellieren an den Freistaat

Kostbare Zeit zum Spielen: Der Platz in der Kita wird in vielen Gemeinden immer teurer – während er anderswo weiter komplett kostenfrei bleibt. © Westend61/Getty

München – Im Februar gab es im Gemeinderat Jetzendorf, Kreis Dachau, eine Diskussion, die viel erzählt über die angespannte Lage in Bayerns Kindertagesstätten. Es gibt im dortigen Kindergarten ein Spiel- und Getränkegeld. Je nach Buchungszeit des Kindes zahlen Eltern sechs, acht oder zehn Euro im Monat. Verwaltungstechnisch sehr aufwendig, hieß es, und außerdem trinkt manches Kind in vier Stunden genauso viel wie ein anderes in acht. Der Gemeinderat beschloss: Künftig zahlen alle zehn Euro.

Was nach einer Debatte über Kleckerbeträge klingt, steht in Wahrheit für die Verzweiflung der Gemeinden. Denn: Die Kita-Finanzierung, so sagt das auch Birgit Kreß, Vizepräsidentin beim Gemeindetag, „wird zunehmend zu einer Belastungsprobe für unsere kommunalen Haushalte“. Kreß, Bürgermeisterin im mittelfränkischen Markt Erlbach, spricht von einer Milliarde Euro Kosten.

Eigentlich sieht das Bayerische Kinderbildungs- und betreuungsgesetz BayKiBig vor, dass die Kosten für Kitas ungefähr gedrittelt werden: auf Freistaat, Kommune und Eltern. „Allerdings sieht es in der Praxis ganz anders aus“, sagt Birgit Kreß. Etwa 60 Prozent der tatsächlichen Betriebskosten würden derzeit von den Gemeinden getragen, nur rund 30 Prozent vom Freistaat, der Rest durch Elternbeiträge. Eine Reform sei dringend nötig.

Dazu kommt verschärfend, dass die Kosten stark steigen. Achim Sing vom Bayerischen Städtetag zählt auf: Baukosten, Unterhalt, Strom, Reinigungskräfte… „Das, was wir im Privaten spüren, belastet auch die öffentliche Hand.“ Ein großer Batzen sind die Personalkosten, die nach Tarifverhandlungen steigen. „Das ist sehr schwierig, die Finanzlage ist sehr angespannt“, sagt Sing. Möglichkeiten zum Sparen gebe es kaum – außer, die Gruppen in den Kitas zu vergrößern. Und weil auch freie und kirchliche Träger den Kostendruck spüren, übernehmen die Kommunen Kreß zufolge immer öfter auch Leistungen wie Schneeräumen oder Hausmeisterdienste – „um die bei der Stange zu halten“.

Viele Gemeinden haben die Kita-Gebühren zuletzt angehoben, viele zum wiederholten Mal innerhalb weniger Jahre. Manche Kommunen haben sich etwas überlegt, um die Familien zu entlasten. Die Stadt Starnberg etwa hat beschlossen, die Kitagebühren einerseits zu erhöhen, sie andererseits aber zu staffeln. Je nach Einkommen der Eltern sind Abschläge von 30 bis 50 Prozent möglich. Wer über 125 000 Euro im Jahr verdient, zahlt den vollen Betrag. Bislang waren es für eine Betreuungszeit im Kindergarten von sechs bis sieben Stunden 200 Euro pro Monat, die neue Regelgebühr sieht 455 Euro vor. Ein ähnliches Modell ist für Dachau und Freising geplant. Zumindest in Freising hat die Diskussion bislang „kaum Elternreaktionen“ hervorgerufen, heißt es aus dem Rathaus.

Der Landeselternbeirat aber hält eine stärkere Belastung von einkommensstarken Eltern für falsch. Die, die durch Sozialabgaben ohnehin schon mehr zahlen, würden noch stärker zur Kasse gebeten, sagt Saskia Liebner vom Landeselternbeirat. Es sei Aufgabe der Landespolitik, „in ganz Bayern eine gleichwertige Betreuung“ zu gewährleisten. Auch Birgit Kreß fordert den Freistaat auf, den Kommunen unter die Arme greifen. Denn fehlende Mittel sorgen für Ungerechtigkeit innerhalb Bayerns: „Gemeinden, die sich den Defizitausgleich leisten können, bieten bessere Bedingungen – andere können das nicht.“ In besonders reichen Gemeinden wie Unterföhring (Kreis München), aber auch in der Landeshauptstadt sind Kindergärten komplett gebührenfrei. Die Hoffnung liegt jetzt, so sagt Achim Sing vom Städtetag, auf dem kommunalen Finanzausgleich 2026. „Wir hoffen auf einen Ausgleich“, sagt Sing, „damit die Kommunen ihre Aufgaben besser wahrnehmen können.“

Dass die Kinderbetreuung eine Herkulesaufgabe ist, zeigen allein die Zahlen. Im Vergleich zu 2010 gibt es heute 35 Prozent mehr Kitas in Bayern, nämlich 10 800. Die Zahl der betreuten Kinder ist seit 2010 um 43 Prozent auf fast 650 000 gestiegen. Als Markus Söder (CSU) am Dienstag mit Sozialministerin Ulrike Scharf einen Kindergarten in Augsburg besuchte, kündigte der Ministerpräsident an, bis 2030 eine Milliarde Euro in Kitas zu investieren. Die Reform des BayKiBig, die auch der Gemeindetag und der Landeselternbeirat fordern, will der Freistaat alleine tragen. Eine Beteiligung der Kommunen sei angesichts deren angespannten Finanzlage nicht geplant. CARINA ZIMNIOK

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