INTERVIEW

Ein Multitalent als Derblecker

von Redaktion

Stephan Zinner (51) über seinen neuen Job als Nockherberg-Prediger

Stephan Zinner vorm Festsaal am Nockherberg. Im März wird er hier zum ersten Mal die Starkbier-Rede halten. © Marcus Schlaf

Bis 2019 war er Markus Söder im Singspiel auf dem Nockherberg. Kinofreunde kennen Stephan Zinner als Metzger in den Eberhofer-Krimis. Er spielt Theater, er macht Kabarett, er spielt Gitarre, ist Songwriter und Sänger. Und am 4. März 2026 wird er der Nachfolger von Maxi Schafroth als Fastenprediger. Politisch ist er also auch noch, oder? Ein Gespräch mit dem Münchner (51) über Kunst und Klempner, Reden und Rücken, Söder und Singen.

Herr Zinner, auf Ihrer Homepage steht: 96 kg Gewicht. Glauben wir nicht.

94 sind es, wenn die Waage nicht kaputt ist. Ich geh wieder verstärkt ins Fitnessstudio, weil das Kreuz zwickt, und bin ganz gut trainiert. Das ständige Autofahren zu den Auftritten macht das nicht besser.

Haben Sie‘s denn im Kreuz, eine politische Rede von 40 Minuten zu stemmen?

Ich bin kein mutiger Typ, aber mich hat die Aufgabe gereizt. Ich habe drei Kinder, meine Frau ist Ärztin, wir wohnen in einer Mietwohnung und kennen den Immobilienwahnsinn in München zur Genüge. Ich mache Kabarett, ein Genre, das dem Tod geweiht ist. Das sind alles Punkte, wo du zwangsläufig politisch bist. Grad erst hat mir ein Klempner wieder erzählt, wie brutal die Parkplatz-Situation für Handwerker in der Stadt ist. Oder das, was mir ein Spezl aus seinem Berufsalltag berichtet. Er ist Lehrer.

Zum Beispiel?

Die Lehrkräfte wollen mit den Kindern arbeiten, aber erhalten viel zu wenig technische Unterstützung. Das fängt beim WC an und hört beim W-LAN auf. Also zusammengefasst: Was mich bewegt und stört, geht auch dem ganz normalen Bürger auf den Senkel.

Wie gut kennen Sie eigentlich Markus Söder, den Sie ja fast 15 Jahre im Singspiel gedoubelt haben?

Privat? Gar nicht. Für mich ist Distanz wichtig. Wenn jemand das anders hält, kann er trotzdem ein guter Kabarettist sein, das schließt sich nicht aus. Aber ich brauche die Distanz.

Für Ihren Söder gab es ausschließlich Lob, die Fastenpredigt ist was ganz anderes. Angst vor Kritik?

Kritik wird es ohnehin geben. Die einen werden die Rede zu links finden, die anderen zu rechts. Die einen zu hart, die anderen zu brav. Das ist logisch und liegt am jeweiligen Rezipienten. Mir ist wichtig, dass die Dramaturgie stimmt, dass die Struktur sitzt, dafür bin ich zu sehr Schauspieler. Das heißt auch: Wenn in letzter Sekunde etwas politisch Brisantes passiert, dann muss ich auch den Mut haben, das wegzulassen, bevor ich die Struktur der Rede zerstöre.

Bleibt es dabei, dass Sie eine „klassische Rede“ halten werden?

Vielleicht kommt ja doch eine Musik-Einlage. Wenn ich während des Schreibens merke, dass es gegen Ende nicht richtig wuppt, werde ich einen Song ausprobieren. Dann kann ich mich wenigstens in Gefilde begeben, wo ich mich auskenne.

Derzeit stehen Sie vor der Kamera für einen „Polizeiruf“, Sie sind Schauspieler, Kabarettist und Musiker. Und was am liebsten?

Das wechselt. Wenn ich viel drehe, dann freue ich mich brutal auf die Bühne. Wenn ich viel auf der Bühne stehe, dann freue ich mich wahnsinnig aufs Songschreiben. Die schönsten Phasen sind die, wo man ganz frisch wieder in ein Genre eingetaucht ist.

Wie eine frische Beziehung?

Ich wollte es nicht sagen, aber genauso ist es. Zum Beispiel beim Kabarett, da gibt es so Live-Situationen, wo du den Text veränderst, das Publikum geht mit, und eine ganz besondere Dynamik entsteht. Das ist schon toll. Vielleicht improvisiere ich auch auf dem Nockherberg, aber das dann hoffentlich in sehr engem Rahmen. Weil es passieren kann, dass du dich in 30 Sekunden wohin manövrierst, wo du nicht mehr rauskommst.

Kann man leider nicht abpfeifen wie ein Fußballspiel. Sie standen ja lange im Tor.

Von der F-Jugend in meiner Heimat beim TSV Trostberg bis Anfang 20. Nach der A-Jugend wurde ich für ein Tragerl Bier vom TSV Heiligkreuz abgeworben. Danach habe ich aufgehört, weil ich nach Grünwald auf die Theaterschule gegangen bin, und die ewige Fahrerei zum Training ging auf Dauer nicht.

Warum wurden Sie Torwart? Der Drang zum Retten, wenn alles verloren ist?

Schreiben Sie das, das klingt gut. Aber ich war der einzige Depp, der sich auch auf Hartplätze hingeworfen hat. Das fanden die anderen gut. Aber ich hatte dabei eine Spezialität: eins gegen eins. Wobei ich lieber das Weiße im Auge eines gegnerischen Abwehrspielers als des Mittelstürmers gesehen habe.

Wo wir schon beim Sport sind: Wie haben Sie bei Olympia gestimmt?

Mit Ja. Jeder sagt, dass bei uns nichts mehr funktioniert – jetzt ist die Chance, es anders zu machen. Vor 1972 ging der Blick auch nach vorne, das brauchen wir wieder. Und einen Bürokratie-Abbau, der den Namen wirklich verdient.

Unbürokratische Abschlussfrage mit Bitte um eine Spontanantwort: Wir stellen uns vor, der Zinner müsste sich fest anstellen lassen. Was wäre Ihr Beruf?

Wenn ich nochmals jung wäre, dann wäre ich gerne Barkeeper in meiner eigenen Bar. Und in zehn Jahren: Gemüsebauer. Mit regelmäßigen Kreuz-Übungen.

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