München – Dass die Bahnstrecke zwischen München und Garmisch-Partenkirchen nicht im allerbesten Zustand war, ist spätestens seit dem Bahnunglück im Juni 2022 bekannt. Damals starben fünf Menschen, es gab 72 Verletzte, als eine Regionalbahn entgleiste. Aber wie verlottert die Strecke wirklich war, dazu lieferte Tag 2 des Prozesses vor dem Landgericht München II interessante Inneneinblicke. Angeklagt sind neben einem Fahrdienstleiter auch der damalige Anlagenverantwortliche. Der 58-Jährige war intern als „LA-König“ bekannt – LA steht für Langsamfahrstellen. Etwa 40 Langsamfahrstellen im Jahr seien üblich gewesen, hatte der Angeklagte am ersten Prozesstag gesagt.
Am zweiten Tag kam er allerdings selbst in Bedrängnis, als Richter Thomas Lenz das bei der Fehlersuche im Bahnnetz übliche Prozedere rekonstruierte. Dabei trat ein äußerst umständliches Meldewesen innerhalb der DB zutage: 75 Prozent seiner Arbeitszeit verbrachte S. nicht auf der Strecke, obwohl die Begehung der Gleise zu seinen Aufgaben gehört, sondern im Büro.
Kurz vor dem Unfall gab es einen bezeichnenden Vorgang: Im Mai 2022 meldete ihm ein Mitarbeiter kaputte Schwellen am Eschenloher Bahnhof. Die Schäden waren so gravierend, dass S. das Gleis hätte sperren müssen. Stattdessen schickte er das Blatt via E-Mail zurück, der Mitarbeiter korrigierte die Fehlermeldung dann so, dass statt einer Gleissperrung eine Langsamfahrstelle angeordnet werden konnte, es wurde also „angepasst“, wie es der Richter formulierte. „Ist geändert“, schrieb der Mitarbeiter eine Viertelstunde später an S. via E-Mail, versehen mit einem Zwinker-Smilie. „Das ist schon etwas, was irritiert“, sagte der Richter. Der Prozess dauert an.DW