Zeitenwende auf der Piste

von Redaktion

Freistaat streicht Zuschüsse für Schneekanonen – mit Hintertürchen

Streicht Zuschüsse: Michaela Kaniber (CSU). © Vogl/dpa

Die Jennerwiesenbahn wurde 2018 gebaut und 2024 wieder stillgelegt. © Berchtesgadener Bergbahn AG

Kunstschnee aus der Kanone: weiße Pracht für Oberbayern. © Karl-Josef Hildenbrand

München – Den Kampf gegen Schneekanonen führen bayerische Naturschützer schon lange. Als Umwelt- und Alpinverbände 2021 eine Neuausrichtung der Seilbahnförderrichtlinie forderten, stand gleich unter Punkt 1: Stopp der Subventionierung von Beschneiung. Jetzt ist das tatsächlich wahr geworden: Ab dem 1. Januar 2026 werden Beschneiungsanlagen in der Förderung nach den Seilbahnrichtlinien nicht mehr berücksichtigt, teilt das zuständige Landwirtschaftsministerium mit. Kein Steuergeld mehr für Schneekanonen? „Das ist ein gutes Signal in die richtige Richtung, das freut uns sehr“, sagt Christine Busch von der Alpenschutzorganisation CIPRA.

Fakt ist: Der Klimawandel setzt den bayerischen Alpen massiv zu. Schon 2013 zeigte eine Studie des Deutschen Alpenvereins, worauf der Skisport im Freistaat zusteuert: Trotz Beschneiung seien langfristig nur noch drei hochgelegene Skigebiete schneesicher, das Fellhorn und das Nebelhorn im Allgäu sowie die Zugspitze. Erste kleinere Skigebiete ziehen die Konsequenzen. Am Jenner im Berchtesgadener Land gab es im vergangenen Winter erstmals seit Jahrzehnten keinen alpinen Skibetrieb mehr, der Sechser-Sessellift wurde abgebaut und an die Bergbahnen Dachstein West in Österreich verkauft. Die Betreiber setzen auf sanften Tourismus – und der „Wintererlebnisberg“, wie die Betreiber sagen, scheint sich zu lohnen. Der Umsatz in der Wintersaison wurde um acht Prozent gesteigert. Der weitgehende Verzicht auf Beschneiung und Pistenpräparierung senkte den Stromverbrauch um 20 Prozent, den Dieselverbrauch um 40 Prozent.

Doch es gibt auch Skigebiete, die weiter stark auf Kunstschnee setzen. Das Skigebiet Spitzingsee etwa war für zehn Millionen Euro mit Speichersee und 25 neu installierten Schneekanonen an der Suttenabfahrt ausgebaut worden. Zur Eröffnung der „schlagkräftigsten Beschneiungsanlage Deutschlands“ 2006 kam der damalige Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) und ließ sich mit Kunstschnee in der Hand vor der Schneekanone fotografieren.

Auch der aktuelle Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) trat bislang als Befürworter von Schneekanonen auf. Allerdings ist er für die Seilbahnförderrichtlinie nicht mehr zuständig, sie wurde ins Landwirtschaftsministerium von Michaela Kaniber (CSU) umgesiedelt. Aus ihrem Haus heißt es, dass man die Förderung „zeitgemäßer“ gestalten wollte. Doch vor allem wurden laut Ministerium zuletzt kaum noch Fördergelder für Schneekanonen beantragt. Seit 2019 sei „lediglich ein Betrag von einer Million Euro“ auf die Modernisierung von Beschneiungsanlagen entfallen. Das seien 3,8 Prozent der gesamten Fördersumme von 10 Millionen Euro im Jahr. Seit 2021 habe es nur einen einzigen Antrag gegeben, in den vergangenen zwei Jahren keinen einzigen neuen Förderfall.

Der Grünen-Abgeordnete Christian Zwanziger findet die Entscheidung, den „Fehlanreiz“ zu streichen, zwar gut, sagt aber: „Die Staatsregierung macht jetzt das, was die Wirtschaft ohnehin macht.“ Und auch Thomas Frey, Alpenexperte beim Bund Naturschutz, kritisiert, dass Bayern lediglich auf eine Entwicklung reagiere, die es aufgrund der Klimakrise sowieso gebe. „Wir würden uns wünschen, dass die Staatsregierung auch mal lenkend eingreift, wenn es um den Schutz unserer sensiblen Natur geht“, so Frey.

Was die Naturschützer ebenfalls stört: Es bleibt ein Hintertürchen für die Finanzierung von Schneekanonen. Über die Regionalförderung können Gelder dafür beantragt werden – und zwar in Aiwangers Wirtschaftsministerium. Beim Verband Deutscher Seilbahnen VDS wertet man das als Zeichen, „dass die Staatsregierung die große Bedeutung der Schneesicherheit und der damit verbundenen Planbarkeit des Wintersports anerkennt“, sagt VDS-Chef Henrik Volpert. Allerdings ist auch die Nachfrage nach diesem Fördertopf überschaubar: In den vergangenen zwei Jahren gab es nur einen einzigen Antrag für die Erweiterung einer Beschneiungsanlage. CARINA ZIMNIOK

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