In vielem sind wir weltweit führend: Prof. Matthias Tschöp vor der LMU. © Marcus Schlaf
Prof. Matthias Tschöp (58) ist seit 1. Oktober neuer Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der vielfach ausgezeichnete Mediziner hat zu Diabetes und Adipositas geforscht und zwölf Jahre in den USA gelehrt. Im Interview spricht der Münchner auch über das Studentenleben und die Konkurrenz zur TU.
Herr Prof. Tschöp, wo haben Sie Ende der 1980er-Jahre als Student in München eigentlich gewohnt?
In einer WG in der Türkenstraße. Aber auch ich kann mich gut erinnern, dass gegen Ende eines Monats oft noch Monat übrig war, aber kein Geld.
Haben Sie auch gejobbt?
Ja klar, als Beleuchter am Residenztheater, das war großartig.
Mieten steigen, Jobs sind schlecht bezahlt. Bleibt heutigen Studenten noch Zeit, sich ums Studium zu kümmern?
Ach, ich glaube auf jeden Fall – so verstehen wir die Signale, die wir von den Studierenden bekommen. Wir hatten gerade eine tolle Erstsemester-Begrüßungsveranstaltung, da ist so viel Enthusiasmus da. Jobs sind in der Stadt sehr wohl zu finden. Die größte Herausforderung ist die Wohnungsnot. Das ist leider ein Feld, auf das wir als Universität kaum Einfluss haben. Es gibt durchaus Studierende, die in München anfangen und dann wegziehen – weil sie es sich nicht mehr leisten können.
Wie schätzen Sie den Sanierungsbedarf bei Ihren Gebäuden ein. Es tropft und schimmelt?
Nein, aber die LMU ist da in keiner anderen Situation als andere Universitäten. Dass die Staatsregierung soeben mehr Mittel für Bildung und Forschung angekündigt hat, ist das richtige Signal, aber die staatlichen Mittel sind begrenzt. Wir wollen daher aktiver werden bei Fund-Raising, Philanthropie, Spendensammeln.
Sie wollen private Geldgeber, die die Gebäudesanierung finanzieren?
Wir könnten auf diesem Weg jedenfalls mehr Unterstützung erhalten. Die Universität hat zum Beispiel bisher keine universitätsweite Alumni-Organisation für ehemalige Absolventen. Einige Fakultäten haben ein Alumni-Programm, andere nicht. Wenn wir da Dynamik hereinbringen, die Identifikation mit der Alma Mater stärken, das wäre ein Ziel. Es ist doch so: Einige Studierende sind auch durch die exzellente Ausbildung an der LMU sehr wohlhabend geworden – und vielleicht können sie uns heute helfen.
Die TU München bekommt ein Department of Aerospace and Geodesy. Sind Sie neidisch?
Neid ist die völlig falsche Emotion. Es ist gut, dass wir zwei herausragende Exzellenzuniversitäten an einem Standort haben, die so komplementär aufgestellt sind. An der TUM gibt es zum Beispiel herausragende Ingenieure. Aber die LMU hat völlig andere Kompetenzschätze – und das in einer Vielfalt, die es an der TUM nicht gibt. Wir müssen zusammen an der One-Munich-Strategy arbeiten. Beispiele gibt es mit der Munich Medicine Alliance und dem Quantum Valley bereits, wir wollen ähnliches für die KI entwickeln. Wenn wir 2035 weltweit noch relevant sein wollen, dann müssen wir den Standort München insgesamt herausstellen.
Im Ranking von Times Higher Education rangiert die TUM vor der LMU.
Man muss Rankings differenziert sehen: wie sie zustande kommen, wo sie Schwerpunkte setzen. Im QS Ranking zum Beispiel liegt die LMU vor der TUM.
Ist das überhaupt wichtig?
Ja, es ist wichtig. Die Politik schaut darauf, auch Zuwendungsgeber, Forschende zum Teil. Es ist eine Art Währung. Und es schauen Studierende vor allem aus dem asiatischen Raum darauf, die uns fragen, könnt ihr nicht noch ein paar Plätze besser werden, es wäre gut für mich, wenn ich nach Hause komme. Aber man darf Rankings nicht verabsolutieren. Man kann sich als Uni so positionieren, dass man einige Plätze nach vorne rutscht – aber ob das dann gut für die Uni als Ganzes ist, ist eher fraglich. Die LMU bildet jedes Jahr tausende von Lehrern und Lehrerinnen aus, Rechtsanwälte, Richterinnen, Notare. Die künftige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Ann-Katrin Kaufhold, ist eine LMU-Professorin. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, kommt von dieser Universität. Und wir haben hier einen Nobelpreisträger: Ferenc Krausz, Lehrstuhlinhaber für Experimentalphysik, hat ihn 2023 erhalten. Das ist hohe Qualität, die in Rankings nicht abgebildet wird, die aber enorm wichtig für die Gesellschaft ist.
Die LMU hat eine geisteswissenschaftliche Ausprägung bis hin zu den Orchideenfächern. Wie kann man hier die KI nutzen?
Tatsächlich gibt es derzeit bedeutende KI-Erfolge gerade in den kleinen Fächern – den Begriff Orchideenfächer mögen wir nicht. Zum Beispiel hat jüngst Enrique Jiménez, Professor für altorientalische Literaturen am Institut für Assyriologie, weltweit verstreute Keilschrift-Textfragmente aus babylonischer Zeit mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz als zusammengehörig identifiziert. Das sind Forschungserfolge, die früher undenkbar waren.