Bahnprozess: Dilettantismus bei der Fehlersuche

von Redaktion

München – Im Prozess wegen des Bahnunglücks von Burgrain ist noch kein Ende in Sicht. Bis Mitte Januar sind Gerichtstermine angesetzt, vielleicht auch darüber hinaus. Denn die Vernehmung der Zeugen schleppt sich äußerst mühsam dahin. Aufklärung über die Hintergründe, die zum Unglück im Juni 2022 mit fünf Toten führte, hatte sich Richter Thomas Lenz vom damaligen Teamleiter Fahrbahn und Gleisbau erhofft. Stephan T. wurde neben den beiden Angeklagten ursprünglich sogar als dritter Angeschuldigter geführt, doch das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt. Am Dienstag musste T. vor dem Landgericht München als Zeuge aussagen. Doch der mittlerweile von einem Schlaganfall gezeichnete einstige Bahnmitarbeiter konnte kaum weiterhelfen. Mal schwieg er auf Fragen einfach, mal antwortete er „teils, teils“, „so oder so“ und „je nachdem“ und brachte den Richter an den Rand der Verzweiflung.

Allerdings warf der Prozesstag wieder einmal ein bezeichnendes Licht auf das damalige dilettantische Vorgehen der Bahn bei der Beurteilung von Schäden an den Gleisen und dem Vorgehen bei der Beseitigung. Dabei waren im Bereich der späteren Unglücksstelle zahlreiche Schwellen schadhaft. Mit sogenannten Rissbreiten-Schablonen maßen die Bahnleute vor Ort nach, wie breit ein Riss in einer Bahnschwelle war. Je nach Zustand blieb zur Beseitigung der Schäden bis zu 24 Monate Zeit. Wurde dieser Zeitraum überschritten, hatte das keine Folgen – die entsprechende bahninterne Richtlinie sah das einfach nicht vor.

Mitarbeiter füllten auch das „Merkblatt für Fehler an Spannbetonschwellen“ fehlerhaft aus, vermerkten zum Beispiel, dass „20 bis 30“ Schwellen schadhaft seien, ohne die exakte Lage zu bezeichnen. Die Software der Dokumentenverwaltung SAP, in dem Fehler eingetragen wurden, hatte Tücken. So musste „Mängel vollständig behoben“ angeklickt werden, um einen sogenannten Auftrag abzuschließen – obwohl das gar nicht stimmte. Noch ein kritischer Punkt: Es gab kein System, mit dem schadhafte Schwellen für den späteren Austausch oder erneute Kontrolle markiert worden wären. Mal gab es Punkte, mal Kreuze oder Linien, die aufgemalt wurden. Mal wurde Wachskreide hergenommen, mal Spraydosen – in unterschiedlichen Farben. „Wenn ich gelb bestellt habe, habe ich blau gekriegt“, sagt Stephan T, und wenn rote Farbe bei der Materialverwaltung der Bahn geordert wurde, kam grüne. Der Prozess wird fortgesetzt.DIRK WALTER

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