München – Die Empörung der Betroffenen sexualisierter Gewalt über die Stellungnahme des bayerischen Sozialministeriums ist groß. Wie berichtet, lehnt das Ministerium ein eigenes Modell zur unabhängigen Aufarbeitung von Missbrauch ab. Mit 14:0 Stimmen war eine entsprechende Petition von Betroffenen sexualisierter Gewalt mit dem Titel „Gewalt an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten“ am 17. Juli im Sozialausschuss des Landtags in vollem Umfang gewürdigt worden. Das Sozialministerium war zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.
Seit Jahren versucht Richard Kick, Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats in der Münchner Erzdiözese, die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf zu einer bayernweiten unabhängigen Aufarbeitung zu bewegen. Stets habe sie mit der Begründung, Doppelstrukturen vermeiden zu wollen, die Forderung abgelehnt. Nach der angenommenen Petition hatten die Missbrauchsbetroffenen gehofft, dass sie nun doch etwas bewegt. Umso größer die Enttäuschung von Richard Kick, als er jetzt die Stellungnahme aus dem Sozialministerium erhielt. „Die katholische Kirche hat ihre Hausaufgaben gemacht, aber der Staat macht nix“, ärgert er sich. Es brauche einen landesweiten Betroffenenrat, in dem Vertreter aus allen Bereichen – Sport, Familie, Schule – gemeinsam erarbeiten sollten, was gebraucht werde für Gewaltopfer der Vergangenheit in sozialen Einrichtungen, in der Jugendhilfe, in Heimen oder Vereinen.
In der Stellungnahme des Ministeriums, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es indes, dass man nach der Petition ein „ressortübergreifendes Fachgespräch“ geführt habe, um die im Freistaat Bayern bestehenden Strukturen zur Aufarbeitung und Prävention (…..) zu überprüfen“ und mögliche Verbesserungspotenziale zu finden. „Der Aufbau neuer Strukturen (…) wird auch nach nochmaliger eingehender Überprüfung nicht für erforderlich und auch nicht für zielführend gehalten, insbesondere weil hiermit bereits bestehende Strukturen lediglich ersetzt oder aufwendige Doppelstrukturen geschaffen würden.“ Es gebe umfangreiche Aufarbeitungsstrukturen in Bayern.
„Wir wollen keine Doppelstrukturen“, sagt auch Kick. Aber es müsse eine Analyse von staatlichem Fehlverhalten etwa in Jugendämtern, bei der Heim- oder Schulaufsicht seit 1945 ermöglicht werden. „Der Staat hat genauso weggeschaut. Jetzt wird es Zeit, dass das Sozial- und das Kultusministerium in den Jugend- und Schulämtern die Archive öffnen und mal reinschauen, inwiefern sie an dem Leid von tausenden von Kindern beteiligt waren.“
Auch in der CSU scheint es in der Frage der Aufarbeitung unterschiedliche Positionen zu geben – immerhin sitzen im Sozialausschuss sechs christsoziale Politiker. Kommende Woche Donnerstag soll das Thema erneut im Sozialausschuss des Landtags behandelt werden. CM