Muss gesundheitlich kürzer treten: Richard Mergner, hier als Redner nach einer Radlsternfahrt in München. © Klaus Haag
Nach zwei Wahlperioden gibt der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner (64), am Samstag sein Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Als Nachfolger tritt in Fürth der aus Dresden stammende Neu-Münchner Martin Geilhufe (41) an. Er ist bisher Landesbeauftragter, und will das Amt in Personalunion vorerst weiter führen. Im Gespräch mit Richard Mergner blicken wir zurück auf Erfolge und Misserfolge von Bayerns größter Umweltorganisation.
Herr Mergner, Sie treten aus gesundheitlichen Gründen zurück. Wie geht es Ihnen?
Nun, ich muss mich tatsächlich aufgrund von anhaltenden Post-Covid-Symptomen um meine Gesundheit kümmern. Ich trete aber nicht zurück, sondern werde bei den turnusmäßigen Vorstandswahlen einfach nicht wieder antreten. Es fällt mir nach 35 Jahren aktiver Arbeit im BN nicht leicht. Aber die Funktion des Landesvorsitzenden erfordert 100 Prozent Energie. Das kann ich derzeit nicht leisten. Wir machen das Beste draus und leiten einen Generationenwechsel ein.
Verliert die bayerische Staatsregierung jetzt ihren größten Widerpart?
Wir sind keine Partei und der BN versteht sich daher nicht als Widerpart. Wir versuchen seit Jahrzehnten politisch Verantwortliche davon zu überzeugen, Entscheidungen für die Bewahrung der Lebensgrundlagen zu treffen. Der BN ist bestens aufgestellt, er wird mit neuem Vorstand und über 500 Kreis- und Ortsgruppen weiterhin das kritische und konstruktive Umweltgewissen in Bayern sein. Wenn die Staatsregierung wie beim Streuobstpakt unsere Vorschläge aufgreift, sind wir Partner. Wenn sie – um ein Bespiel zu nennen – am Bau neuer Straßen festhält, werden wir weiter entschieden Widerstand leisten.
Was war Ihr größter Erfolg?
Die Erfolge des BN sind immer Teamwork. Eine lang ersehnte Zeitenwende und sicherlich einer der größten Erfolge des BN überhaupt war die Abschaltung von Isar 2, des letzten Atomkraftwerks in Bayern, am 15. April 2023. Damit wurde die hochgefährliche Atomkraftnutzung in Bayern und Deutschland beendet. Auch die großen Fortschritte bei der Energiewende sind ein Erfolg, auch wenn es noch viel mehr Anstrengungen der Staatsregierung braucht. Der BN hat zu den Pionieren etwa bei der Sonnenenergie, der Bürgerwindräder und beim Energiesparen gehört. Weitere Erfolge sind das Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Und im Allgäu konnte das Riedberger Horn und der Grünten vor einem Skizirkus bewahrt werden.
Und Ihre größte Niederlage?
Wenn wir nicht erfolgreich sind, ist das daher in erster Linie eine Niederlage für die Natur, für alle Bürger Bayerns und für die kommenden Generationen. Ein großes Stück bayerischer Heimat ging zum Beispiel mit dem Bau der Isentalautobahn A94 und ihrer Eröffnung am 30. September 2019 verloren. Was ich gelernt habe in meiner Zeit beim BN: Vordergründige Niederlagen sind oft gar keine, weil alle unsere Aktionen zur Bewusstseinsbildung beitragen. Wir haben oft den längeren Atem.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten zur Umsetzung einer konkreten Naturschutzmaßnahme, was wäre das?
Da fällt es schwer sich festzulegen. Aber ein Nationalpark im Steigerwald und eine Biosphärenregion im Spessart genauso wie die Renaturierung der Salzach zum Naturfluss wären ein Segen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten – und auch für die Bevölkerung vor Ort.
Sie sind seit 1990 hauptberuflich für den BN tätig. Ist die Natur heute bedrohter als damals?
Das kann man pauschal so nicht beantworten. Es gibt Licht und Schatten. Grundsätzlich hat sich viel verbessert. Das Ozonloch ist so klein wie noch nie seit der Entdeckung, die Flüsse sind sauberer geworden und wir haben mit NATURA 2000 ein europaweites Schutzgebietsnetz. Ein riesiger Fortschritt ist, dass viele unserer Forderungen zu offiziellen Zielsetzungen für mehr Nachhaltigkeit geworden sind oder sogar Gesetzeskraft erreicht haben. In der Praxis ist es aber leider so, dass die Ziele vielfach nur Bestandteile politischer Sonntagsreden sind.
Zum Beispiel?
Man sieht es am Flächensparziel. 2021 wurde das Ziel von fünf Hektar pro Tag gesetzlich festgeschrieben. In der Realität liegt der Flächenverbrauch seit Jahren um die zehn bis zwölf Hektar pro Tag. Auch der Artenschutz ist ein Dauerbrenner. Es gibt zwar Erfolge bei einzelnen Arten, wenn es konkrete Projekte für sie gibt wie beim Biber oder der Wildkatze. Auf der anderen Seite verlieren wir flächendeckend massiv Insekten und frühere Allerweltsarten, wie den Kiebitz oder das Rebhuhn. Trotz guter Ziele und Programme gibt es noch keine Trendwende, sondern auch in Bayern weitere Verluste und Verschlechterungen, weil die grundlegenden Gefährdungsfaktoren geblieben sind.