SERIE ZU DEN KESSLER-ZWILLINGEN

Alice ging für Ellen mit in den Tod

von Redaktion

Enge Freundin spricht über den letzten Stammtisch

Die Kessler-Zwillinge mit Gabriele Gräfin zu Castell-Rüdenhausen (Mitte). © Schneider-Press

München – Ihr Liebe kannte keine Grenze – auch nicht den Tod. Wie jetzt bekannt wurde, war Ellen Kessler zum Zeitpunkt ihres Suizids schwer krank, Alice Kessler dagegen noch bei bester Gesundheit – und trotzdem folgte sie ihrer Schwester in den Tod.

Die beiden nahmen sich vergangenen Montag in ihrer Villa in Grünwald das Leben – assistiert von einem Anwalt und einer Ärztin. Beide bereiteten ihren Selbstmord Monate vor, setzen auch das Datum des 17. Novembers fest. Zwei Tage zuvor fuhren sie noch bei ihren besten und engsten Vertrauten vorbei, warfen kleine Päckchen mit Schmuckstücken und einen Abschiedsbrief in deren Briefkästen.

Eine die, wie Carolin Reiber und Bibi Johns, ebenfalls Post bekam, ist Gabriele Gräfin zu Castell-Rüdenhausen. Die 81-Jährige war seit über 50 Jahren mit den Kesslers befreundet. „Jeden Dienstag trafen wir uns zum Stammtisch, auch noch an dem Dienstag vor ihrem Tod“, so Gräfin Castell. „Es war eigentlich wie immer“, erinnert sie sich im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die beiden, ich nannte sie immer nur die Mädels, haben sich auch nicht besonders verabschiedet. Ich wusste nicht, dass ich beide zum letzten Mal sehen werde. Es ist furchtbar traurig.“

Nur eines sei ihr schon länger aufgefallen: „Beide sind so milde geworden. Früher haben sie mich öfters gerügt, ich sollte sie doch nicht unterbrechen. Sie waren in einer gewissen Weise streng, achteten nicht nur auf sich, sondern verlangten auch von ihren Freundinnen eine gewisse Disziplin. Aber kürzlich schaute mich Ellen nur liebevoll an – und sagte nichts.“

Castell schob es auf die Krankheit von Ellen Kessler. „Sie hatte einen Schlaganfall, Herzprobleme aber vorallem hatte sie starke Depressionen. Sie war krank, Alice dagegen war es nicht. Sie hatte natürlich die üblichen Beschwerden, mein Gott, was man halt mit 89 hat.“

Castell kannte Alice und Ellen Kessler, seit sie eine junge Frau war. „Meine Mutter, die Schauspielerin Luise Ullrich, hat uns zusammengebracht, weil ich die beiden schon als Mädchen sehr bewundert habe. Daraus ist eine echte Freundschaft gewachsen.“

Eine Freundschaft, die sich früher viel auf Partys und Empfängen abgespielt hat, in den letzten Jahren mehr und mehr im Privaten, wie Castell berichtet. „Wir sind jahrelang jeden Samstag joggen gegangen. Und zwar so schnell, dass keiner mithalten konnte. Einmal war sogar Carlos Kleiber, der Dirigent, dabei – der hat gleich aufgegeben“, erinnert sich Gabriele Castell. „Wissen Sie, die beiden waren so rein in ihrem Erscheinen wie in ihren Gedanken. Nur ihre Witze waren dreckig.“ Castell weiß: „Alice ist wie ein Kapitän auf hoher See durchs Lebensmeer gefahren. Bis zum Schluss.“ MARIA ZSOLNAY

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