Waldpädagogin Evi Hajek. © Pfeiffer
Die sechs Familien, die Evi Hajek an diesem Nachmittag in Schönau trifft, kommen aus vielen Ecken des Berchtesgadener Landes hierher. 16 Kinder mit Müttern und Vätern. Treffpunkt ist der Obst- und Gartenbauverein, wo Wiese und Wald nahtlos ineinander übergehen. Den Platz hat sich Evi Hajek bei der Gemeinde organisiert, unter einer alten Buche, neben einem Feld mit Apfelbäumen. Baumstämme bilden einen Sitzkreis, eine Art Dorfplatz, von dem aus es in den angrenzenden Wald geht. Es ist eine einfache Kulisse, „aber ein Raum voller Möglichkeiten”, findet Evi Hajek.
Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Mit ruhiger Stimme begrüßt sie die Familien und macht gleich deutlich: Hier soll niemand pauken wie in der Schule, sondern gemeinsam entdecken. „Es geht darum, dass Eltern Zeit mit ihren Kindern haben“, sagt sie, „und dass sie diese Zeit draußen in der Natur verbringen.“ Die Nachfrage nach ihren Angeboten ist groß. Hajek freut sich über das Interesse, setzt aber bewusst auf eher kleine Gruppen. Nur in dieser Überschaubarkeit, sagt sie, entstehen echte Begegnungen zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen Mensch und Natur.
Hajek beginnt den Nachmittag damit, mit den Kindern Tiere zu bestimmen. Vorsichtig hebt sie eine Raupe auf und zeigt sie den Kindern. „Daraus wird einmal ein Schmetterling.“ Wenige Meter daneben stoßen die Kinder auf einen Ameisenhaufen. Gebannt hocken sie davor, während Hajek weitererklärt. Danach führt der Weg tiefer in den Wald. Dort sollen die Kinder sammeln, was sie finden. Steine, Schneckenhäuser, Blätter, Stöcke, Moos. Aus den Fundstücken entsteht am Boden ein Mandala, ein kunstvolles Bild aus Naturmaterialien. Am Ende wartet die größte Aufgabe des Tages: Jede Familie soll ein kleines Waldhaus bauen – aus allem, was die Natur hergibt. Schon bald sind viele Häuser entstanden, einige sogar mit Türen oder Gärten. Für Evi Hajek ist die Natur ein Erfahrungsraum. Ihr Wissen verdankt sie ihren beiden Großmüttern. Später machte sie eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und zur Waldpädagogin. Den Wald, sagt sie, muss man mit allen Sinnen erfahren. „Dort kann man etwas erfühlen, das einem sonst verborgen bleibt.“KILIAN PFEIFFER