Der Zugang zu den Wohnungen in Murnau ist ebenerdig – praktisch für Senioren.
Von 160 auf 55 Quadratmeter: Margarethe Goebels (Mitte) ist nach dem Tod ihres Mannes in eine barrierefreie Wohnung gezogen. Hilfe bekam sie von Freundin Ursula Eisenschink und Immobilienmakler Horst Hofbauer.
Murnau – Sie packte ihr Leben in Kisten, verabschiedete sich von den meisten Möbeln, verkleinerte sich von 160 auf 55 Quadratmeter Wohnfläche: Im April begann für Margarethe Goebels ein neuer Lebensabschnitt in einem neuen Zuhause. Dabei war der Verkauf eines besonderen Möbelstücks für die 79-Jährige besonders schlimm. „Da weine ich jetzt noch“, sagt sie. Zur Hochzeit kauften sie und ihr Mann sich eine 150 Jahre alte Standuhr bei einem Antiquitätenhändler in München. Für die neue Wohnung war die Uhr allerdings zu groß. Was Goebels beruhigt: „Eine Bekannte hat sie gekauft. Das heißt, ich könnte die Uhr jederzeit besuchen.“
35 Jahre lang lebte Margarethe Goebels mit ihrem Mann Franz-Josef in einem 160 Quadratmeter großen Haus auf einem steilen Hanggrundstück in der Gemeinde Riegsee im Kreis Garmisch-Partenkirchen. 30 Stufen bis zur Eingangstür, offene Wohnräume, bodentiefe Fenster. Nach dem Tod ihres Mannes 2023 war das Haus zu groß, zu teuer, der Weg hinauf zu steil für Goebels. Sie sehnte sich nach einem Neustart. Und den fand sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Murnau. Ihr altes Zuhause und damit ihr früheres Leben zurückzulassen, war alles andere als leicht für die heute 79-Jährige.
Auf 55 Quadratmetern kann sich Margarethe Goebels nun ausbreiten. Einen abgetrennten Flur gibt es in der barrierefreien Wohnung nicht. „Den braucht es auch nicht“, sagt sie. Wer die Wohnung betritt, landet direkt in der Küche. Das Wohnzimmer ist mit einer Schiebetür abgetrennt, von dort aus geht es ins Schlafzimmer und von dort wiederum ins Badezimmer. „Ich bin überglücklich, hier zu sein. Es ist überschaubar und einfach kuschelig“, sagt Goebels.
Der Umzug und der Verkauf der Möbel waren tränenreich, und das Ausräumen des Hauses war ein „Riesenakt“, sagt Freundin Ursula Eisenschink (65). Nach dem Umzug kam eine schwere Phase. Geholfen haben viele Gespräche und Ablenkung, sagt Eisenschink, die Goebels auf dem Weg begleitet hat. „Es waren immer die richtigen Leute zur richtigen Zeit da“, sagt Goebels. Zum Beispiel auch ihre vier Jahre jüngere Schwester, die in München wohnt. „Wir haben täglich unsere Telefonstunde.“
Hilfe bekam sie auch vom Immobilienmakler Horst Hofbauer. Er ist verantwortlich für den Bau der barrierefreien Wohnungen. Im Erdgeschoss seit etwa einem Jahr der Supermarkt Biomichl untergebracht. Auf dem Dach hat Hofbauer Wohnraum geschaffen. „Damit wurden auch keine weiteren Flächen versiegelt“, sagt er.
Durch die Lage am Hang und den Zugang zu den Wohnungen von der Seitenstraße aus sind die Wohnungen ebenerdig, quasi also Erdgeschoss. Darüber ist ein weiteres Stockwerk. In dem Komplex gibt es insgesamt 17 Wohnungen, von Ein- über 1,5- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen zwischen 30 und 60 Quadratmetern. Sechs davon sind noch frei, elf Hausbewohner gibt es bereits. Der Jüngste ist 23 Jahre alt, Goebels ist die älteste: „Die meisten könnten meine Kinder oder Enkel sein“, sagt sie und lacht.
Viele ältere Menschen würden in zu großen Häusern wohnen und einsam sein, sagt Hofbauer, der bereits weitere Projekte im Kopf hat, bei denen es auch Gemeinschaftsräume geben soll. Gemeinsam mit seinem Team will er altersgerechte Wohnsituationen schaffen. Mit an Bord sind unter anderen ein Architekt sowie ein Berater für Bauen im Alter.
Dass die Hausgemeinschaft in Murnau sehr familiär ist, freut Hofbauer daher besonders. „Wir treffen uns zum Abendessen oder auch mal auf ein Glas Wein“, sagt Goebels. Zum Beispiel auf ihrer Terrasse. Irgendwann will die 79-Jährige an den Gardasee. „Das ist mein Traum.“ Nun will Goebels aber erst mal wieder zu sich kommen. Dann sagt sie fast schon zu sich selbst: „Margarethe, jetzt bist du dran.“