Durch den Rückgang an Freiwilligen kommt der zwischenmenschliche Kontakt in Pflegeeinrichtungen häufig zu kurz. © Patrick Pleul/dpa
München – Michael Kroll hatte dieses Jahr deutlich weniger Bewerbungen auf dem Tisch als sonst. Er organisiert die Freiwilligendienste beim Caritasverband in Bayern. Bei den Bundesfreiwilligendiensten verzeichnet der Verband dieses Jahr einen Rückgang um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 450 von 600 Plätzen sind derzeit besetzt. „Für uns fallen damit potenzielle Arbeitskräfte weg, die im Anschluss an den Freiwilligendienst eine Ausbildung beginnen“, sagt Kroll.
Wegen der Umstellung von G8 auf G9 gab es in diesem Sommer kaum Abiturienten. Und damit eben auch deutlich weniger Bewerbungen für Freiwilligendienste, die meistens im September beginnen. Für die Verbände sind die jungen Helfer aber eigentlich unverzichtbar. Zwar ersetzen ihre Tätigkeiten nicht die Fachkräfte – sie kommen obendrauf. Es geht aber um eine Mithilfe beispielsweise in der Pflege, im Altenheim oder im Kindergarten. Angestellte müssen den Rückgang nicht auffangen, aber: „Schöne Dinge fallen weg“, sagt Kroll. Etwa Freizeitangebote in der Altenhilfe.
Dennoch spricht sich der Caritasverband deutlich gegen ein verpflichtendes soziales Jahr aus, sagt Kroll. Vielmehr sollten die finanziellen Rahmenbedingungen verbessert werden. „Damit diejenigen, die es wirklich gerne machen wollen, die Chance dazu haben.“ Das ist wirksamer, als Menschen zu verpflichten, die unmotiviert wären, sagt er.
Freiwillige aus dem Ausland fangen derzeit rund ein Drittel vom Rückgang beim Caritasverband auf, sagt Kroll. Sie kommen hauptsächlich aus Asien und Afrika. „Häufig kommen die Menschen zu uns, um danach eine Pflegeausbildung zu machen. Das ist ein wichtiges Standbein für uns.“ Nach Deutschland zu kommen, ist für Freiwillige aus dem Ausland allerdings schwieriger geworden. Denn durch die Migrationspolitik der Bundesregierung dauert es länger, ein Visum zu erhalten. „Es ist nun spannend, wie sich das im kommenden Jahr entwickelt“, sagt Kroll. Nach der Corona-Pandemie hat der Verband die Erfahrung gemacht, dass es nur sehr schleppend wieder losging.
Auch das Rote Kreuz spürt den Rückgang bei den Freiwilligendiensten. Waren es im vergangenen Jahr noch 1300 Freiwillige, sind es heuer etwa 900. Zu den Diensten zählen das FSJ und das BFD. Die Auswirkungen durch den Rückgang sind unterschiedlich, sagt BRK-Sprecherin Claire Kolodinski.
Freiwillige unterstützen die BRK-Fachkräfte und packen dort an, wo Zeit fehlt. Das sei vor allem im zwischenmenschlichen Kontakt, beispielsweise zu Pflegebedürftigen, von unschätzbarem Wert, sagt die Sprecherin.Und: „Durch den Wegfall von 30 Prozent steigt die durch den Fachkräftemangel ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung der Fachkräfte noch weiter.“
Anstelle eines verpflichtenden sozialen Jahres fordert das BRK einen Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst und im Rahmen der neuen Wehrpflicht die Anerkennung der Freiwilligendienste als Ersatzdienst. So erhöhe man unter anderem die Attraktivität der Freiwilligendienste und die Finanzierung wäre gesichert, erklärt Kolodinski.
Das BRK rechnet damit, dass sich die Zahlen im Herbst 2026 wieder stabilisieren – wenn die Abiturprüfungen wieder regulär stattgefunden haben.