Bei der Ernte in Sachsen: Der Oberpfälzer Aurel Berlinski und sein Cannabis-Anbauverein mussten ins benachbarte Bundesland ausweichen. © David Rötzschke
Grafenwöhr – Aurel Berlinski ist vorsichtig. Der 24-Jährige arbeitet für den Cannabis Club Plant Base in Grafenwöhr, Oberpfalz. Berlinski und seinen Mitstreitern ist am Wochenende gelungen, woran alle anderen bislang gescheitert sind: Sie haben angefangen, Cannabis an ihre Mitglieder auszugeben – und sie wurden bislang nicht gestoppt. Wie genau der Club das hingekriegt hat, verrät Berlinski lieber nicht. Nur so viel: „Wir bekommen sehr viele Anfragen von anderen Clubs und werden denen auch mit Rat zur Seite stehen.“
Seit 1. April 2024 ist in Deutschland das Rauchen und der Anbau von Cannabis für Volljährige mit vielen Beschränkungen erlaubt. Zulässig sind auch nicht-kommerzielle Cannabis-Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern, die Cannabis-Clubs. Die Staatsregierung verhindert bislang erfolgreich, dass sich in Bayern eine Club-Struktur etabliert. Doch die Betreiber der acht lizenzierten Clubs geben nicht auf, sie suchen nach Lösungen. Und die gibt’s offenbar.
Im Fall des Clubs aus Grafenwöhr lag sie hinter der bayerischen Grenze. Ursprünglich wollte der Verein in der Oberpfalz Cannabis anbauen, dafür mieteten die Verantwortlichen 2024 eine Halle. Mit dem Bauamt in Neustadt an der Waldnaab klärten sie die Bedingungen, hielten sich strikt an die Vorgaben – doch dann hieß es, dass sie eine Sondergenehmigung beantragen müssen. Hintergrund ist, dass das Bauministerium für die Genehmigungsfähigkeit von Anbauvereinigungen die Ausweisung eines „sonstigen Sondergebietes“ verlangt. Das hätte bedeutet: weitere Bebauungspläne einreichen, Geld vorstrecken, warten. „Wir wussten nicht, ob das klappt“, sagt Berlinski, der Präventionsbeauftragter des Clubs ist. Deshalb fand man einen anderen Weg: Die Club-Verantwortlichen wichen nach Sachsen aus, mieteten dort eine Halle an. Die Behörden gaben grünes Licht für den Cannabis-Anbau.
Am vorletzten Wochenende wollte der Club das Gras zum ersten Mal an die Mitglieder in Grafenwöhr ausgeben, dafür wurde es von Sachsen nach Bayern transportiert. Kurzfristig grätschte das Landesamt für Gesundheit dazwischen, die Aktion wurde abgeblasen – und auf vergangenen Samstag verschoben. Etwa 50 bis 60 Mitglieder kamen laut Berlinski und nahmen im Schnitt 21 Gramm Marihuana mit. Demnächst ist ein weiterer Ausgabe-Termin geplant. Wie genau das abläuft, verrät Berlinski nicht. Es sei „präzise Feinarbeit erforderlich“ gewesen, „um die Ausgabestelle optimal auf sämtliche Anforderungen abzustimmen“.
Auch der Club von Martin Pley, Franken Cannabis, ist auf ein anderes Bundesland ausgewichen, mitsamt der Anlage – nämlich nach Baden-Württemberg. „Da war es deutlich entspannter“, sagt Pley auf Anfrage. Franken Cannabis war im August der erste Club, der Marihuana an seine Mitglieder verteilte. Doch nur kurz. Dann untersagte das Landratsamt den Anbau aus baurechtlichen Gründen. Lex Bavaria gegen die Legalisierung.
Dass sich inzwischen nicht mal mehr die Kommunen mit der Rechtslage auskennen, zeigt ein Fall aus Raubling im Kreis Rosenheim. Der örtliche Cannabis-Social-Club CSC hatte eine Halle angemietet, dafür eine Nutzungsänderung beantragt, um sich an die Vorgaben des Bauministeriums zu halten. Dann stimmte der Gemeinderat dagegen. Ein Grund: Die Genehmigung hätte das Landratsamt wieder kassiert. Bürgermeister Olaf Kalsperger (CSU) sagte während der Sitzung Mitte November, bei der auch Club-Vertreter vor Ort waren: „Es ist ein bisschen schiefgelaufen.“ Er kritisierte, dass man den Antragstellern erst vermittelt habe, dass der Anbauort so genehmigungsfähig sei – und dies dann doch plötzlich wieder änderte. Die Club-Verantwortlichen reagierten enttäuscht: „Während in allen Bundesländern der Anbau durch Vereine ermöglicht wird, bleibt Bayern das gallische Dorf des Widerstands“, kommentierte der Vorsitzende Florian Degenhart.
Das Bauministerium von Christian Bernreiter (CSU) verweist auf Anfrage darauf, dass die Genehmigungsfähigkeit von Clubs die Ausweisung eines „sonstigen Sondergebiets“ durch die Gemeinden erfordere. „Auf die Auslegung dieser Regelungen in Sachsen hat die bayerische Staatsregierung keinen Einfluss“, teilt ein Sprecher mit. CARINA ZIMNIOK