Das Wunder vom Ammersee

von Redaktion

Vier Jahre nach Großbrand: Christuskirche in Utting wird am Sonntag wiedereröffnet

Im Stil der alten Holzkirche wurde das Gotteshaus wieder aufgebaut.

Herzlich willkommen: Pfarrer-Ehepaar Alexandra und Jochen Eberhardt vor der wiederaufgebauten Christuskirche in Utting. © Dieter Roettig (2)

Utting – Das Vorbild ist groß: Wie bei der Wiedereröffnung der vom Brand zerstörten Kathedrale Notre Dame in Paris wird am Sonntag in Utting am Ammersee das Kirchenvolk schon in der wiederaufgebauten evangelischen Christuskirche sitzen, wenn draußen der Schlüssel übergeben und symbolisch aufgesperrt wird. Mit einem Augenzwinkern verweist das Pfarrer-Ehepaar Alexandra und Jochen Eberhardt auf die Feier in Paris. Aber für Utting hat das Fest ja auch mindestens so eine Bedeutung wie das Ereignis in Paris. Und daher werden am Sonntag um 15 Uhr deutlich mehr Gäste kommen als die 270, die das Gebäude fassen kann. Wenn das Wetter mitspielt, rechnet die evangelische Gemeinde mit einer vierstelligen Zahl.

„Wir sind erleichtert und glücklich“, sagt Alexandra Eberhardt. Der Kraftakt der vergangenen viereinhalb Jahre gehe zu Ende, „und das ist wunderschön“. Der Ausgangspunkt war ein Schock: Am 25. August 2021 war das im Stil der skandinavischen Holzkirchen erbaute Gotteshaus in Flammen aufgegangen. Die Brandursache ist bis heute nicht geklärt.

„Am Mittwoch ist sie abgebrannt, am Donnerstag haben wir auf der Homepage angekündigt: Wir bauen sie wieder auf“, berichtet Alexandra Eberhardt. In den ersten Tagen „haben uns die Leute die Bude eingerannt“. Leute, die man überhaupt nicht gekannt habe. Ein Jurist, der seine Dienste ehrenamtlich anbot, oder eine Landschaftsarchitektin. Ein Ehepaar fragte, ob es aus dem Schutt etwas retten könne. Anfang November meldete sich das Paar und sagte: „Wir haben eine Benefizidee.“ Sie hatten aus dem Zinn der Orgelpfeifen die Christuskirche nachgebildet. „Ab 100 Euro Spende gab es ein Kirchlein.“ Damit ist viel Geld gesammelt worden.

Ein Kirchenneubau in heutiger Zeit ist angesichts der leeren Kirchenkassen ein seltenes Ereignis. Der Wiederaufbau mit Kosten von 3,7 Millionen Euro war ein echter Kraftakt. Eine große Summe kam über die Versicherung, zehn Prozent steuerte die Landeskirche bei – und dann gab es eine Welle der Unterstützung von Gläubigen. „Wir haben eine sehr große Solidarität nicht nur am Ammersee, sondern auch weit darüber hinaus erlebt“, sagt Jochen Eberhardt. Es haben auch viele Gläubige mitangepackt: Etwa die Baumstämme entrindet. Andere haben das Lichtkunstobjekt oder Altar und Taufstein miterarbeitet. „Da ist eine ganz große Identifikation“, freut sich die Pfarrerin.

Die neue Kirche soll auch eine Heilung sein, wie es der Architekt Mauritz Lüps ausdrückt, der auch aus Utting stammt. Die Eingangstür mit der markanten blau-roten Bemalung ist übrigens die Originaltür aus der alten Kirche. Sie konnte gerettet werden. „Ich habe ganz stark dafür plädiert, diese alte Tür zu restaurieren“ berichtet die Theologin. „Sie war von innen ganz verkohlt. Das war eine dolle Arbeit von dem Schreiner. Aber es ist ein unheimliches Symbol, dass die alte Tür noch da ist und man durch sie die neue Kirche betritt.“ Drinnen sind die Holzwände in Taubenblau und Grau gehalten. Besonders praktisch: An den Seiten wurden Klappsitze angebracht, die bei Nichtgebrauch in den Wänden verschwinden.

Am Sonntag findet nicht der erste Gottesdienst in der Christuskirche statt. Die erste Feier war bereits vor einem Jahr, ein Baustellen-Gottesdienst am zweiten Advent bei zwei Grad, ohne Fenster: „Es hat gezogen wie Hechtsuppe“, sagt die Pfarrerin und lacht. Aber es waren 300 Leute da. „Es war wie ein Heimkommen“, erinnert sich ihr Mann. Ein sehr starkes Symbol für die Bindung der Menschen an die Kirche war für das Ehepaar, dass sich so viele Menschen von den eisigen Temperaturen nicht hatten abschrecken lassen zu kommen. Und dann wurden alle Anstrengungen unternommen, um die eigentliche Einweihung im Dezember 2025 zu schaffen. „Wir wollten Weihnachten wieder in unserer Kirche feiern können.“

Am Ende des Gottesdienstes wird es am Sonntag einen „Powersegen“ von allen Geistlichen am neuen Altar geben: Von Landesbischof Christian Kopp, der ebenso wie Regionalbischof Thema Prieto Peral nach Utting kommt, dem Pfarrer-Ehepaar, dem Dekan. Dass Landesbischof und Regionalbischof kommen, zeigt, dass diese Kircheneinweihung etwas besonderes ist. Die Gemeinde hat sich den Wiederaufbau ihrer abgebrannten Kirche erarbeitet. „Sie können stolz darauf sein“, sagen die Eberhardts.CLAUDIA MÖLLERS

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