War er gestern schon da? Oder kommt der Nikolaus erst heute zu Ihnen? Angetan mit einem roten Gewand, der Bischofsmütze auf dem Kopf, dem Krummstab in der Hand und einem Rauschebart im Gesicht. Der Nikolaus bringt Geschenke mit, zum Naschen, zum Spielen, zum Lesen. Er ist gutmütig. Selbst wenn er mit dem Finger droht, wirkt das eher harmlos und liebenswürdig. Aber: Der Nikolaus kommt nicht immer allein.
Er hat eine Eskorte: Knecht Ruprecht alias Krampus ist dabei. Ein wie ein bissiger Hofhund mit Ketten rasselnder Höllengeist, der mit Sack und Rute droht. Ruprecht ist die Gestalt des Bösen, das existiert, sich aber fest in der Hand des Guten befindet. Dunkel angezogen erschreckt er die Kinder, wo er nur kann. Auch manche der Großen zucken zurück, wenn er sich ihnen mit seinen schwarz gefärbten Händen nähert, knurrt und Grimassen schneidet.
Es ist nicht schön, wenn der Krampus zu „pädagogischen“ Zwecken missbraucht wird – um Kleinen Angst einzujagen oder Erwachsene vorzuführen. Als Kind fand ich ihn interessanter als den Nikolaus. Der war so erwartbar und sah irgendwie dem Nachbarn verblüffend ähnlich. Der Krampus oder Knecht Ruprecht hatte dagegen stets neue Überraschungen auf Lager und schien so faszinierend.
Als Erwachsene habe ich mir die beiden noch einmal aus einem anderen Blickwinkel angeschaut. Und festgestellt: Nikolaus und Krampus – die gehören eng zusammen. Der liebenswürdige Nikolaus ist ohne den Krampus, seinen aufregenden, finsteren Schatten, nur halb so menschlich. Denn wer von uns Irdischen ist schon eine reine Lichtgestalt, voller Güte und Großzügigkeit… Wer könnte nicht manchmal vor Wut toben oder wenigstens ein empörtes, zorniges Gesicht machen.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob Nikolaus und Ruprecht nicht eigentlich eine Figur sind. Beide versinnbildlichen miteinander das Hin und Her im Menschen, die positiven, starken, leuchtenden Seiten, Herzlichkeit und Nähe. Und das Abgründige, Verzweifelte vielleicht, die Untiefen der Seele. Wer den einen, den lieben Nikolaus, mag, sollte den Krampus ernst nehmen – ihn zu verdrängen hieße, sich der eigenen Schattenseiten nicht mehr bewusst zu sein.
Die zwei, Nikolaus und Krampus, sind eine Einheit – weil eben auch ein großartiger Mensch seine Schattenseiten hat. Es wäre nur gut, wenn der Nikolaus die Oberhand behält.