Den Schmied von Kochel auf der Brust

von Redaktion

Wie ein Trachtenverein 320 Jahre danach an die Sendlinger Mordweihnacht erinnert

Das Emblem auf der Tracht zeigt den sagenumwobenen Schmied von Kochel.

Die Aufständischen wurden in Sendling gnadenlos niedergemetzelt. © imago stock&people

Zwei Generationen Trachtenverein: Sohn Andreas (Mitte) mit seinen Eltern Bärbel und Herbert. Von seinem Vater übernahm er den Vereinsvorsitz. © A. Schmidt, A. Schmidhuber

München – Das Fresko an der alten Sendlinger Kirche ist so gar nicht weihnachtlich. Der Künstler Wilhelm Lindenschmit (1806–1848) hat darauf eine der blutigsten Schlachten Münchens verewigt: die Sendlinger Mordweihnacht.

Der martialische Kampf war eine Folge des Spanischen Erbfolgekriegs. Österreich hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts Bayern besetzt – mit für die Menschen verheerenden Folgen, darunter drastische Steuererhöhungen und Zwangsrekrutierungen. Was in der blutigen Schlacht in Sendling gipfelte, nahm seinen Ursprung im bayerischen Oberland. Bauern hatten sich vor 320 Jahren gegen die Machenschaften der Obrigkeit gewehrt.

Ihr Plan: Sie wollten die Österreicher aus München vertreiben. Und so zogen die Aufständischen in die Landeshauptstadt und verschanzten sich in der alten Sendlinger Pfarrkirche. Doch sie waren chancenlos gegen die kaiserlichen Truppen. Als Letzter soll der sagenumwobene Schmied von Kochel gefallen sein, an den eine Statue an der Lindwurmstraße erinnert.

Der Trachtenverein „Schmied von Kochel“ München-Sendling benannte sich nach dieser mythischen Figur und erinnert jedes Jahr am letzten Sonntag vor Weihnachten mahnend an das blutige Gemetzel. Der 1. Vorsitzende Andreas Reich ist gerade einmal 43 Jahre alt. Für den Vorsitzenden eines Trachtenvereins kein Alter. Er musste aber nicht lange überlegen, als sein Vater Herbert als Vorsitzender zurücktrat und ein Nachfolger gesucht wurde. „Es ist einfach wichtig, der Sendlinger Mordweihnacht zu gedenken“, sagt er – und schiebt hinterher: „Vor allem in diesen Zeiten muss man zeigen, wie wichtig Frieden ist.“

Reich ist die Vorstandsarbeit in dem 1905 – also vor 120 Jahren – gegründeten Trachtenverein quasi in die Wiege gelegt worden. Vor seinem Vater war auch schon der Opa Vorsitzender. Bruder Michael ist als Vorplattler ebenfalls aktiv. Aber der Verein besteht natürlich nicht nur aus der Familie Reich, sondern wurde zuletzt breiter aufgestellt. Das war auch nötig, denn die Trachtler kämpften eine Zeit lang um ihr Fortbestehen.

Einen Nachfolger für Herbert Reich zu finden, stellte sich als schwierig heraus. Zumindest bis Sohn Andreas auf den Plan trat. „Ich habe zu meiner Frau gesagt, dass ich den Verein nicht sterben lassen kann. Das bringe ich nicht übers Herz.“ Die Gattin hatte nichts dagegen, dass ihr Mann den Vorsitz übernimmt, der Verein war gerettet – und hat seitdem sogar wichtigen Zuwachs erfahren. „Wir haben zwei Familien samt Kindern und mehrere weitere neue Mitglieder gewonnen“, sagt Reich. Damit sind es nun wieder 52 Mitglieder, 14 davon im Alter von null bis 27 Jahren. Weitere Neumitglieder sind jederzeit willkommen.

Das Gewand des Vereins hat auch etwas mit der Sendlinger Mordweihnacht zu tun – und das nicht nur wegen des Emblems auf der Brust, das den Schmied von Kochel zeigt. Es handelt sich um die Miesbacher Tracht mit ihren typischen Kniestrümpfen, der Ledernen, einer grauen Joppe und Hut – also eine Tracht aus dem Oberland, wo der Aufstand seinen Ursprung hatte.

„Eine andere Tracht? Diese Frage hat sich mir nie gestellt“, sagt Reich. Tracht, Verein, Gedenktag – das alles ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Und das nicht nur wegen des wichtigen Gedenkens. „Es ist auch viel wert, mit dem Verein an Traditionen festhalten zu können.“ANDREAS DASCHNER

Der Gedenktag

Am vierten Adventssonntag gedenkt der Trachtenverein „Schmied von Kochel“ der Sendlinger Mordweihnacht vor 320 Jahren sowie der verstorbenen Vereinsmitglieder. Um 9 Uhr treffen sich die Teilnehmer in der Münchner Gaststätte Tannengarten. Gegen 10.15 Uhr beginnt der Umzug zum Gottesdienst in die Kirche St. Margaret mit anschließender Kranzniederlegung an der Grabstätte bei der alten Sendlinger Kirche. Zum Abschluss gibt es ein gemütliches Beisammensein im Tannengarten.

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