Die zweifelhafte Rolle des Blauen Kurfürsten

von Redaktion

Max II. Emanuel hatte viele Ambitionen

Max Emanuel als Feldherr. © Fine Art Images/Heritage Images

München – Als Bauern und Knechte 1705 gegen die verhasste österreichische Besatzung revoltierten, mündete das in einer Tragödie, bei der 1100 schlecht bewaffnete Aufständische niedergemetzelt wurden. Die Ereignisse vor 320 Jahren sind zu einem bayerischen Nationalmythos geworden.

Aber wo war an diesen schicksalhaften Tagen eigentlich ihr Landesherr? Max II. Emanuel von Bayern (1662–1726, genannt der „Blaue Kurfürst“) hat sein halbes Leben in den Stiefeln zugebracht, um zwischen Ungarn und Flandern Kriege zu führen. Vor den Habsburgern flüchtete der Wittelsbacher ins Exil und kämpfte an der Seite Frankreichs weiter. Bayern überließ er der kaiserlichen Besatzung und Verwaltung. Die Aufständischen kämpften unter seinem Namen, aber unterstützen konnte er sie nicht. Will man die Ereignisse von 1705 verstehen, führt kein Weg vorbei an der Rolle, die er spielte.

Wer war Max II. Emanuel? Während sein Vater Ferdinand Maria von Bayern („der Friedliche“) eine vorsichtige Neutralitätspolitik zwischen den Großmächten der Bourbonen und Habsburger verfolgt, greift nach seinem Tod 1679 sein Sohn offensiv in die europäische Politik ein.

Auf der Suche nach einem Weltreich

Vorbild ist ihm der absolutistische Machtanspruch und Pomp von Versailles. Davon träumt er. Doch zunächst kämpft er mit großer Tapferkeit an der Seite Habsburgs und nimmt ab 1683 an insgesamt zwölf Türkenfeldzügen teil. 1690 kämpft er am Oberrhein gegen die Franzosen. 1692 geht er als Generalstatthalter der Spanischen Niederlande nach Brüssel, hält dort prächtig Hof und zweigt dafür bayerische Gelder ab, was die Haushaltslage in der Heimat verschlechtert.

1701 kehrt er nach neunjähriger Abwesenheit nach München zurück. Im gleichen Jahr bricht der Spanische Erbfolgekrieg los. Der war nichts weniger als ein früher Weltkrieg, in dem es um die dynastische Neuaufteilung Europas und seiner Überseegebiete ging. Zwei Jahre zuvor hatte sich durch den Tod seines sechsjährigen Sohnes und kurzzeitig designierten spanischen Thronerben Joseph Ferdinand Leopold die Hoffnung von Max II. Emanuel auf ein Wittelsbacher Weltreich zerschlagen. Er wechselt die Fronten und setzt auf ein Bündnis mit Frankreich. Von diesem Pakt erhofft er sich, endlich irgendwo in Europa ein Königreich zu bekommen aus der spanischen Erbmasse. In sein Bayern zurückgekehrt, das ihm nichts bedeutet, überfällt er 1702 Ulm und greift 1703 zusammen mit französischen Truppen Tirol an, scheitert aber am Widerstand.

Die militärische Provokation rächt sich: Nach der vernichtenden Niederlage der französisch-bayerischen Streitmacht gegen das alliierte Heer aus Kaiserlichen, Reichsarmee und englischen Truppen am 13. August 1704 bei Höchstädt an der Donau muss Max II. Emanuel mit den Franzosen flüchten. Erst 1715 kehrt er nach seiner Wiedereinsetzung als Kurfürst von Bayern erneut zurück in seine Residenz: „wie ein Dieb, die er mitsamt dem dazugehörigen Land so gerne vertauscht hätte“, urteilt die „Chronik Bayerns“ hart. Auch sei „nicht bekannt, dass er sich für die Anhänglichkeit so vieler Bayern bedankt oder ein Wort der Trauer oder des Mitgefühls für die vielen Opfer findet“. Um im ausgebluteten Land seine hohen Steuerforderungen einzutreiben, setzt er sogar sein Militär ein. Und er setzt jetzt wieder auf Habsburg.

300. Todestag des Herrschers

Der Kurfürst mit dem blauen Waffenrock ist als Statthalter der Spanischen Niederlande und als mäßig erfolgreicher Feldherr in die Geschichte eingegangen, für dessen Großmachtambitionen sein Bayern zu klein war. Er war ein großer Bauherr und Kunstsammler, dessen Prunksucht den bayerischen Staatshaushalt ruinierte. Es ist müßig zu fragen, welchen Verlauf die Geschichte genommen hätte, wäre sein Sohn nicht gestorben und hätte er im Spanischen Erbfolgekrieg anders paktiert. Am 26. Februar kommenden Jahres hat dieser umstrittene Wittelsbacher seinen 300. Todestag.RAINER BANNIER

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